Gnade :   'unverdient' und auch  'überraschend'
Ich denke, man weiß erst mit der Zeit, was man gefunden hat; und dann noch besser, wenn man es wieder verloren hat.
Jesus ist die größte Gabe, die wir von Gott erhalten haben!
Eureka!
Auf diesem Felsen sprach Gott zu mir!
Gott ist! Und er webt sich, wie einen Goldfaden in unser Leben (2. Mose, Kapitel 39 Vers 3), das sich manchmal wirklich kaum von dem eines Tieres unterscheidet, ein. Das macht mein Leben wertvoll!
 
(Vorbemerkung: es kann sein, dass durch meine Geschichte Namen auftauchen, wo die Personen selbst nicht genannt werden wollen. Zuerst hatte ich deshalb die Namen durch Kürzel angegeben. Aber ich habe es wieder geändert, weil ich mir sage, dass ich ja meine Geschichte erzähle - und die geschah ja nicht in der Wüste, sondern inmitten anderer Menschen und mit anderen Menschen!)
 
 
GOTT spricht zu mir
 
Es kam der Tag, an dem ich einen ungetrübten Blick auf mein Elend warf und erkannte, dass ich ein Versager war. Was hatte ich denn vorzuweisen? Keinen Beruf, es gab keine Zukunftsperspektive. Was tun? Aus Indien war keine Hilfe zu erwarten. Ich war nun volljährig, also damals 21 Jahre alt und hatte null Zukunftsaussichten, obwohl meine Mutter viel in meine Zukunft investierte: Schriftsetzerschule besucht, Lehre als Offsetdrucker begonnen und kurz auf einer privaten Wirtschaftsschule gewesen! Nicht dass ich mich dafür vor anderen schämte. Denn als Hippie gehörte es fast zum guten Ton, wenn man nicht wirklich zur Gesellschaft gehörte. Aber ich konnte und wollte mir selbst nichts mehr vormachen.
Ich bestimmte einen Tag, an dem ich in die "Stille" gehen wollte. Früh am Morgen stand ich ohne Frühstück auf und ging in den Wald. Während ich durch den Wald wanderte, redete ich mit "Dem-da-oben" und erklärte ihm meine schwierige Situation. Dabei schoss mir irgendwann ein Gedanke durch den Kopf: "Jesus hatte damals Petrus und verschiedene andere in seine Nachfolge berufen. Diese Menschen hatten für Gott gearbeitet". Ob es auch heute noch möglich ist, für Jesus zu leben und ihm nachzufolgen? Ich würde für Gott tätig sein und auch einer vernünftigen Arbeit nachgehen.
Früher, als ich noch im Kinderheim war, hatte ich ähnliche Situation: ich war mit 9 Jahren in der Heimkapelle und betete, wie ich es bei den Nonnen immer gesehen hatte. Ich betete den Rosenkranz. Eigentlich ist dies eine langweilige, sich immer wiederholende Gebetsform. Während ich also zum x-ten Mal „ … gebenedeit seist du ...“ betete, kam mir ein Gedanke: Gott sprach doch mit sovielen Menschen direkt! Mit Moses, mit Paulus, etc. Er soll doch auch mal zu mir sprechen! Ich fand die Idee gut. Ich wartete, beobachtete die kleine Kapelle, ob sich etwas verändert. Vielleicht wird sich der Vorhang bewegen, die Kerze ausgehen und wieder an, oder ich würde eine große Stimme hören. Aber nein. Nichts geschah! Ich wartete lange. Nichts. Enttäuscht ging ich dann wieder. Und seitdem war mein Glaube an Gott ohne Halt.
Und nun war ich im Wald und hatte wieder so eine Eingebung, dass ich doch, wie die vielen vor mir, von Gott hören will, dass er mich in seinen Dienst nimmt. Damals im Heim kam nichts von Gott. Wird Gott nun zu mir reden?
Ich wurde konkreter und sprach zu Gott (in Richtung des Himmels über mir, da ich nicht wußte, wie man mit Gott sprechen kann): „Kann ich für Dich leben und arbeiten wie Deine ersten Jünger damals? Wenn ja, dann lass bitte genau über mir den Himmel blau werden!"
Ich brauchte einfach ein Zeichen, durch das ich Gottes Reden verstehen könnte.
Der ganze Himmel war in den verschiedensten Grautönen verhangen, nicht der kleinste blaue Fleck war zu sehen. In meiner Vorstellung war klar, Gott „redet" durch Zeichen, obwohl mir aus der Erfahrung von Sarah, zu der Gott in Indien deutlich sagte, dass Jesus Gottes Sohn ist, hätte klar sein müssen, dass er auch ganz real, vernehmlich zu uns sprechen kann. Ich hatte ihn jedenfalls um ein Zeichen gebeten.
Es ließ nicht auf sich warten. Kaum hatte ich mein "Gebet" vor Gott ausgebreitet, da riss die Wolkendecke genau über mir auf und ein unbeschreibliches Glücksgefühl erfüllte mich beim Anblick des blauen Stückes Himmel über mir. Glückselig lief ich, ja sprang ich noch stundenlang durch den Wald und sprach mit Gott, schüttete ihm mein Herz aus. Er hatte mir unmissverständlich geantwortet: die Zeit, in der Menschen Jesus nachfolgten und dadurch ihrem Leben einen Sinn gaben, war noch nicht vorbei. Jesus beruft noch heute Jünger!
Doch die Situation im Heim musste ich irgendwann aufarbeiten: warum sprach Gott nicht mit mir im Heim?!Kurz vor Frühlingsbeginn, etwa Ende Februar 1972, hatten wir uns entschlossen, nach Lüneburg umzuziehen. Auf ihrem Trip durch Europa hatten Deborah, d.i. Sarah's Schwester, und Sigi dort einen jungen Mann getroffen, der ebenfalls in Indien gewesen war. Dieser nahm uns sehr freundlich auf und ließ uns bei sich wohnen bis wir eine eigene Bleibe würden gefunden haben. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir ein altes Haus in der Heiligen-Geist-Strasse gefunden, in dem unten eine Kommune eingenistet lebte. Für wenig Geld konnten wir dort eine Wohnung mieten.
Doch der Segen hörte nicht auf und so fanden wir schnell eine Arbeit.
Bereits während der Fahrt von Freiburg nach Lüneburg gab es erhebende Augenblicke. Wir „predigten" jedem, der uns vier Tramper mitnahm.
Wir benötigten für die gesamte Strecke komplette zwei Tage! In Darmstadt konnten wir in einem christlichen Haus übernachten und erreichten unser Ziel in Lüneburg spät in der folgenden Nacht.
Wir lebten etwa einen Monat in Lüneburg, als uns eine ältere „Omi" in der Fußgängerzone zu einer Veranstaltung der Hamburger „Jesus-People" einlud. Zu Jesus gehörten wir doch auch! Da mussten wir hin. Die "Jesus-People" á la Germany entpuppten sich als typisch deutsch: Jesus hatte ihnen geholfen, einen Beruf zu finden und damit ihr Leben in geordnete Bahnen gelenkt!
Das deckte sich nicht im Geringsten mit meinen Vorstellungen von einem Leben mit Jesus. Wenn Jesus mich zu einem Spießer machen würde, wollte ich nichts mit ihm zu tun haben.
Bei dieser Veranstaltung trafen wir ein Ehepaar. Sie kam aus Finnland und er war aus Riad. Sie waren sehr freundlich zu uns, wohnten, wie sich herausstellte, schräg gegenüber von uns und waren schon „bei Jesus angekommen".
Ein paar Wochen später kam der Evangelist Anton Schulte in die Stadt. Auch wir wurden zu seiner Veranstaltung eingeladen. Eine Gruppe junger Christen sang auf der Straße und predigte von Jesus. Ich bewunderte sie, hatte aber nicht den Mut, mich einem Gespräch zu stellen, weil ich mich in diesem Thema zu unsicher fühlte, um mit denen zu diskutieren, die darin so fest verankert waren. Auch schämte ich mich, weil ich sehr stark stotterte.
Der Evangelist hatte die Stadthalle gemietet. Sicherheitshalber hatten wir die Empore gewählt, um genügend Abstand zu wahren und von oben einen besseren Überblick zu haben. Am Ende seines Vortrags forderte er alle auf, nach vorne zu kommen, die die klare Absicht hätten, mit Jesus leben zu wollen. Ja, das wollten wir.
Zuerst stand Sarah's Schwester auf, sah sich entschlossen zu uns um. Sarah stand auf und auch sie sah uns, Sigi und mich, entschlossen an. Wir gingen notgedrungen mit. Wir gingen nach vorne zur Bühne, runter von der Empore, durch den Saal vom hinteren Eingang bis zur Bühne vor! Das war ein langer Weg!
Als wir vorne standen, vor der Bühne, sprach Anton Schulte davon, dass niemand über den Tod Bescheid wissen kann, der nicht gestorben ist. Und so kann auch niemand über Jesus reden, wenn er ihn nicht persönlich kennen gelernt habe.
Ich fühlte mich wohl. Angekommen. Im Unterschied zu den Vielen, die noch auf ihren Sitzen klebten (schade, dass der Glaube an Jesus oft so aus dem "Feindbild" der Gottlosen Kraft empfängt. Was wäre, wenn man nicht deshalb zu Jesus kommen will, weil man die Hölle fürchtet sondern Gott liebt?).
Man führte uns in einen Nebenraum, um uns noch mehr Informationen zu geben. Wir erzählten den Leuten, die mit uns redeten, dass wir bereits mit Jesus lebten und so bedrängten sie uns nicht weiter. Aber wir lebten nicht wirklich mit Jesus; wir lebten nur mit dem Jesus der Religion. Ich hatte keinen lebendigen Kontakt zu ihm. Ich zehrte von meinem Erlebnis im Wald, was mir aber keine Kraft gab, praktisch so zu leben, wie es in der Bibel festgehalten ist, wie die ersten Christen lebten. Allein die Einstellung „für ihn" zu sein, ließ noch keine persönliche Beziehung entstehen.
 
Am Ausgang der Halle erhielten wir die nächste Einladung. Diesmal waren es „echte" Jesus-People 'made in USA', die im Lüneburger Schützenhaus über ihren Glauben sprechen wollten.
Am ersten Abend erfuhren wir, warum Murray Bradfield, der amerikanische Prediger, nach Deutschland gekommen war.
Ich hatte mich zwar gelangweilt und wollte eigentlich nicht mehr meine Abende für diese Veranstaltungen opfern. Und doch vernahm ich eine innere Entschlossenheit, dass ich alle Abende hingehen werden, damit ich nicht schuld wäre, wenn ich Wichtiges versäumt hätte.
Am zweiten Abend rief auch er zu einer Lebensübergabe auf. Weil ich schon wusste, wie es läuft, stand ich als erster auf, damit auch andere Mut zu diesem Schritt fänden. In einem Nebenraum forderten sie uns auf, ein „Übergabegebet" nachzusprechen. Ich fühlte nach dem Gebet zwar auch eine gewisse Erleichterung, aber Sarah war richtig euphorisch und meinte, wir könnten uns doch nun taufen lassen. Das war nun wieder des Guten zu viel. Man musste ja nicht gleich alles übertreiben. Nur nicht extrem werden!
Als mich am dritten Abend der Veranstalter mit den Worten begrüßte: „Jesus wohnt nun in deinem Herzen", da wurde es mir sogar zu blöde, um überhaupt darauf zu reagieren.
Die Tage verstrichen und ich las in der Arbeitspause auf meinem Job im Garten- und Landschaftsbau in meinem kleinen Neuen Testament.  Ledereinband und Goldschnitt; das war dem Neuen Testament würdig! Den Arbeitskollegen erzählte ich von den Veranstaltungen und fügte hinzu, dass sie doch auch mal kommen sollten, es sei super.
Am letzten Abend, dem 21. April 1972, einem Freitag, als die Veranstaltung bereits beendet war, saßen wir mit einigen Christen an einem Tisch und ließen die Woche Revue passieren. Zum Abschluss wollten sie noch beten. Ich erwartete eigentlich ein „Vater-unser" oder etwas in der Art. Zu meinem Erstaunen plauderte jeder drauflos und erzählte Gott, was ihn gerade bedrückte und wofür er Gott dankbar ist, so, als ob Gott mit uns am Tisch säße. Eigenartig war auch, dass sie der Reihe nach beteten.
Ich konnte mir also ausrechnen, wann ich an der Reihe war. Was sollte ich denn beten?
Ich verstand mich noch immer als katholischer Christ und müsste doch vor dem missionarischen Eifer sicher sein, wenn ich ein Gebet spräche, das ich aus Kindertagen kannte. Aber kein gelerntes Gebet passte hierher. Ich vergrub mein Gesicht und begann zu schwitzen. Erleichtert stellte ich fest, dass man mich übersprang. Ich hatte wohl zu lange gezögert.
War ich eigentlich wirklich schon Christ? Wenn dem so war, warum konnte ich dann nicht wie die anderen am Tisch beten? Es war, als stünde ich hinter einer Milchglasscheibe, auf der einen Seite ich und auf der anderen Jesus. Ich glaubte zwar irgendwie an Jesus, hatte aber keine wirkliche Beziehung zu ihm. Es war reine Religiosität.
 
Während ich so mein eigenes „Waterloo" erlebte, geschah etwas, das mein ganzes, künftiges Leben verändern sollte:
Auf meinem Kopf wurde es sehr heiß und von dort führte so etwas wie eine Röhre zu meinem Herzen. Durch sie floss flüssige Liebe in mein Herz und durchdrang meinen gesamten Körper. Diese Liebe war bis in die Fuß- und Fingerspitzen zu spüren.
Ich konnte nicht nur, ich musste beten: „Jesus, mach dass ich nicht platze! Amen."
Puh! Dieses Erlebnis war so stark, dass es mir vollständig egal war, was die anderen alteingesessenen Christen dazu bemerkten. Ich war so überwältigt, dass ich ihre „anerkennenden" Worte kaum registrierte. Ich spürte nur noch die Liebe Gottes in mir. Heute, wenn ich in der Bibel im Römerbrief lese (Rö. 5,5), dass die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist ausgegossen wurde, dann meine ich, dass es dies war, was ich gerade erlebte!
Auf dem Nachhauseweg tanzten wir und pflückten Blumen, die wir dann Passanten reichten.
 
Schon kurze Zeit nach dem wir uns entschlossen hatten, Jesus zu folgen, wie es seine ersten Jünger taten, die alles verließen, beschlossen Sarah, Deborah, Siggi und ich unser Leben ganz in den Dienst für Jesus zu stellen. So hatte ich ja auch damals Gottes Reden im Wald bei Freiburg verstanden, dass er auch heute noch Menschen in seine Arbeit beruft. Seit der Berufung der Jünger am See Genezareth, vor etwa 2000 Jahren, hatte sich an diesem Prinzip von Jesus, dass er Menschen zu sich ruft und sie dann aussendet, nichts geändert.
 
 
Am 21.04.1972 hatte ich mich mit Sarah für Jesus entschieden. Heute noch bin ich Gott dankbar dafür, dass ich dies erleben durfte, also nicht bloß IHM gehöre, sondern ihn erlebt habe und auch heute noch immer wieder erleben darf, dass ich Jesus gehöre und ihm nachfolge.
 
 
 
Durch Jakobus, mit jüdischem Blut in seinen Adern, kamen wir mit vielen christlichen Gruppen in Lüneburg zusammen. So lernten wir Baptisten kennen, Lutheraner, Reformierte, Pfingstler etc. Auch bekamen wir durch diese Kontakte für einen Abend in der Woche die Michaeliskirche für einen Gottesdienst, den wir gestalten durften, wie wir wollten. Dazu muss man wissen, dass man als "Jesus-People" besonders behandelt wurde. Ich glaube, wir nahmen dieses Angebot der Michaeliskirche nur für einen Abend an.
Der Mann, der die Evangelisation in der Schützenhalle in Lüneburg durchführte, Waldemar Kirsch, hatte sich unser etwas angenommen und uns mit biblischer Lehre genährt. So erzählte er uns über die Entrückung, die Wiederkunft Jesu etc. Eines Tages wies er uns darauf hin, dass wir uns von Satan lossagen müssten, weil wir Yoga betrieben hatten. Also beteten wir und sagten dem Teufel, dass wir uns von ihm trennen, baten Gott um Vergebung und gingen so in die Nacht. In dieser Nacht erlebte ich eine tiefe Verlorenheit. Ich meinte, ich stürze ab und käme nie wieder in ein normales Leben. Ich lag wie versteinert neben Sarah. Gott sei Dank merkte sie etwas von meiner Situation und sagte: "Jesus liebt dich!". Durch diese kleine Aussage wurde ich herausgerissen aus diesem dunklen Loch. Für mich war dieses Nachterlebnis sehr schrecklich, so dass ich Angst hatte, am nächsten Abend wieder ins Bett zu gehen. Als ich einer evangelikalen Schwester davon berichtete, sagte sie mir, dass das falsch gewesen wäre, dass ich mich von Satan losgesagt hätte, da ich nichts mehr mit Satan zu tun hätte. Ich wollte ihr das gerne glauben und entschloss mich, Waldemar Kirsch "Hausverbot" zu erteilen. Heute weiß ich, dass es absolut richtig war, dass ich mich von Satan lossagte. Denn Jesus reißt uns aus dem bösen Zeitlauf, weil er uns vergeben hatte (siehe Gal.1,4). Weil wir uns für Jesus entschieden haben, wird er uns von jeder Bindung an Satan trennen.
Ich meine, ich war auch froh, dass wir Waldemar Kirsch 'los' waren. Denn es gab verschiedene Situationen, in denen er nach meiner Beurteilung schlecht abschnitt; so war er einmal bei uns in der Wohnung in der Heiligen-Geist-Strasse, als der Pastor der Pfingstkirche uns besuchen wollte. Als dieser Kirsch sah, drehte er sich auf dem Absatz um und sagte: "Wenn Sie hier sind, dann brauche ich ja nicht auch da zu sein." Er knallte die Tür zu und war verschwunden. Etwas muss wohl mit Kirsch in Lüneburg nicht stimmen. Wir wollten eigentlich mit ihm zusammenarbeiten und -wohnen. Er hatte ein Ferienhaus, in dem er Freizeiten durchführte. Als er wieder mal so eine Freizeit durchführte, waren wir auch eingeladen. Wir mussten nur einen kleinen Prozentsatz bezahlen. Aber die Freunde, die Vis-á-vi von uns wohnten, zahlten für uns den vollen Preis und Kirsch sagte uns nichts davon; er nahm das Geld still und ohne etwas unseren Freunden zu erklären. Durch dieses Erlebnis waren wir etwas verunsichert, ob wir wirklich mit ihm zusammenarbeiten und -wohnen sollten. Also sagten wir ihm, dass wir gerne mit ihm arbeiten und wohnen würden, wir würden aber zuerst unser Geld den Armen geben und dann kommen. Wir dachten dabei an Jesus, der den reichen Jüngling auf diese Weise zur Nachfolge rief. Als darauf Kirsch sagte, er finde das nicht gut, weil wir erst das Geld verschenken und dann wieder dafür beten müssten, war uns klar, dass wir nicht zu ihm in seine Pension ziehen sollten. Einige Jahre später haben wir, Sarah und ich, uns bei ihm entschuldigt, weil wir irgendwie um den 'heißen Brei' herum gesegelt sind und ihm nicht klar sagten, warum wir nicht mit arbeiten wollten. Er hatte Pläne, ein Zentrum zu eröffnen, wo dann junge Leute Jesus finden sollten. Diese Pläne sind gut, aber irgendwie war er mit Geld nicht so ein unschuldiges Lämmlein.
Da wir aber wegen ihm (eigentlich für Jesus) unsere Arbeit aufgaben, waren wir nun frei, neu anzufangen. Als wir uns dazu entschlossen hatten, unsere Arbeit zu kündigen, hatte Sarah wegen der finanziellen Zukunft noch etwas Bedenken. Deborah und ich waren sicher, dass es gut wäre, Jesus ganz nachzufolgen. An diesem Morgen, als wir so über unsere Zukunft mit Jesus nachdachten, kam ein Mann, der uns eine Kiste Lebensmittel brachte. Er war ein Angestellter eines Geschäftes und erklärte, dass er dies nur abliefern müsse. Wir waren ungläubig und sagten ihm, dass er wohl diese Kiste unserer Nachbarin bringen müsse. "Nein, hier ist die Anschrift", sagte er - und es war unsere!
Wir verstanden dies als Reden Gottes, dass Jesus uns unterstützen würde, wenn wir für ihn leben würden. Er zeigte seine Absicht noch in vielen Kleinigkeiten. So wollten wir uns auf dem Markt Erdbeeren kaufen, empfanden sie aber etwas sehr teuer. Zu Hause angekommen, stand eine Schüssel mit frischen Erdbeeren vor der Tür. Das erlebten wir auch mit verschiedenen anderen Lebensmittel.
Lüneburg war wirklich eine wichtige Etappe in meinem Leben. Zuerst dass wir Jesus persönlich kennenlernten. Dann aber auch, weil Jesus zu mir in Lüneburg zum ersten Mal für mich hörbar sprach. Ich hatte bis dahin nur geglaubt, dass Jesus mir ein gutes Gefühl geben und mich bewahren kann und durch Zeichen zu mir reden könne. Natürlich auch versorgen. Ich glaube, man lernt Jesus im Laufe der Zeit immer mehr und aus verschiedenen Perspektiven kennen. Als Versorger, als Bewahrer, als Tröster usw. Es hängt sicher davon ab, wo man sich befindet: in der Wüste oder im gemütlichen Wohnzimmer. Um den Gott kennen zu lernen, der versorgt, muss man Mangel haben. Und den Gott, der heilt, muss man krank sein.
 
Nun wollte ich aber wissen, ob er auch zu mir echt reden könne. Ich habe zwar vorher schon mal von Gott eine Antwort erhalten (damals im Wald bei Freiburg, da sprach Gott zu mir in Zeichen). Nun wollte ich aber mehr: Gott soll zu mir reden, deutlich. Ich ging auf den kleinen Berg in Lüneburg, dem Kreideberg. Ich setzte mich bequem auf einen Felsen, der oben auf dem Hügel, außerhalb der Absperrung, lag.
Ich las kurz eine kleine Geschichte über Jesus aus der Bibel und dann klappte ich meine Bibel zu und sagte zu Gott: „Nun kannst Du zu mir reden.“ Ich wartete. Es kam ein Gedanke in meinen Kopf, den ich nicht 'angedacht' hatte, sich nicht entwickelte. Es war ein Auftrag, dass ich einen Bruder von der Baptisten Gemeinde fragen solle, ob er uns am Abend zu der Evangelisation in Winsen mitnehmen könne. Dieser Gedanke war nicht so aufregend, er hatte eigentlich keine Wurzeln in mir. Er kam einfach so und stand fertig in meinem Kopf. War das Gott? Redet Gott auf diese Weise zu mir? Ich war noch in vollem Gange dabei, meine Enttäuschung mit Argumenten zu tarnen. Denn ich hatte eigentlich ein klareres Reden von Gott erwartet. Da kam eine Stimme zu meinem Ohr. Sie kam aus meinem Brustkorb. Die Stimme war hell und sehr angenehm. Es war nur ein einziges Wort, ich hörte es: „Glaube!“. Also war es doch Gott, der mir den Gedanken gab! Ich sprang freudig auf, rannte nach Hause und wollte schnell den Bruder fragen, wie Gott es von mir wollte.
Zuhause angekommen, traf ich die Tochter des Baptistenbruders. Sie berichtete uns von der Evangelisation und dass ihr Vater leider keinen Platz hätte, uns mit zu nehmen. Ach so! Ich war froh, dass ich niemandem von meinem Erlebnis auf dem Kreidefelsen erzählte. Ich hätte mich sonst blamiert gefühlt. Ich fragte ihren Vater nicht wegen einer Mitfahrgelegenheit. Irgendwie war ich von Gott enttäuscht. Oder hätte ich von mir enttäuscht sein müssen?
Am Abend hupte unten auf der Straße vor dem Haus ein Auto und wer saß hinterm Lenkrad? Der besagte Bruder aus der Baptistengemeinde. Er saß alleine im Wagen und fragte, ob wir mit ihm kommen wollten. Na siehste! dachte ich. Dann hat also doch Gott zu mir geredet (oft geht es uns wie dem, der alle Blumenblätter abreißt, um herauszufinden, ob er geliebt wird; wir schwanken zwischen 'Gott hat geredet' und ' es war nur Einbildung', bis wir im Glauben es fassen oder ablegen).
Heute weiß ich, dass es sehr wichtig für mich war, dass Gott so zu mir sprach. Denn ohne Glauben erkennt man Gottes Stimme nie - egal wieviel und wie deutlich er redet. Nur dass Gott mir den Auftrag gab, den er auch ohne mich erfüllen konnte - denn der Bruder kam, auch ohne, dass ich ihn anfragte! - ist typisch: Gott will uns in den Auftrag einbinden! Das heißt aber nicht, dass er ohne uns nichts tun kann. Nur wenn wir uns in Seinem Namen bewegen, lassen wir uns besser lenken! Wer sich nicht in Gottes Willen bewegt, der wird von Gottes Handeln angestoßen, und das ist manchmal dann aber 'anklagend' (subjektiv).
 
 
An einem frühen Morgen, als ich wieder mal aus dem Bett kam, um 'Stille Zeit' ( = eine Zeit mit Gott verbringen) zu machen (was wirklich nicht immer einfach war!), ging ich in den Park (es war etwa 5 Uhr morgens). Dort traf ich einen jungen Mann, der wohl gerade von seinem Trip runter kam. Ich erzählte ihm von Jesus und betete mit ihm, nahm ihn mit nach Hause und lies ihn bei uns ausschlafen. Danach ging ich wieder in den Park, weil ich noch nicht zur 'Stillen Zeit' kam. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer Autowerkstatt vorbei, wo ein VW-Bus zum Verkauf ausgestellt war. Ein wirklich altes Modell! Geteilte Frontscheibe! Aber dafür billig. 800 DM (400 Euro). Später gingen wir zu der Werkstatt und fragten, ob das Auto noch liefe. Wir baten Gott um ein Zeichen: wenn das Auto ohne große Probleme anspringen würde, dann wollten wir es kaufen. Die Mechaniker mussten zuerst die Batterie laden und verschiedenes investieren. Aber dann sprang er an. Wir kauften den Bus, meldeten ihn an - und kümmerten uns erstmal nicht mehr um die Bürokratie. Erst ein halbes Jahr später gingen wir zur Versicherung und erkundigten uns, wie es mit der Versicherung stünde. Dazu muss ich erklären, dass wir von Lüneburg wegzogen, also die Adresse änderten, bei der wir den Bus anmeldeten und nun in Freiburg waren. Ach, wir waren sehr naiv.
Wie freuten wir uns, als wir Lüneburg mit dem Bus verlassen konnten. Wir hatten es schon vorher per Anhalter versucht. Wir trampten damals in Richtung Hamburg auf die Autobahnraststätte und wollten dann von der Raststätte aus in Richtung Süden fahren. Wir standen den ganzen Tag auf diesem Rastplatz. Als es schon Abend wurde, wollten wir es wissen: will Gott, dass wir in Lüneburg blieben? Wir stellten uns auf der anderen Strassenseite auf, die von der Raststätte wegführte. Kaum standen wir, kam ein Mercedesfahrer und nahm uns mit - bis vor unsere Haustür in der Heiligen-Geist-Strasse! Vor der Haustür warteten viele junge Leute, die uns besuchen wollten. Ja, wir durften nicht wegfahren.
Ein andermal trampten wir weg, weil wir durch Bibellesen erkannten, dass wir uns taufen lassen müssten. Schon bei der 'Bekehrung' am 21. April, sagte Sarah, dass wir uns nun taufen lassen können. Ich schüttelte damals nur den Kopf, denn dass wir uns für Jesus entschieden hatten, war doch genug! Warum noch sich Taufen lassen!
Doch nun wollten wir uns taufen lassen.
Wir trampten nach Frankfurt/Waldorf, weil dort die amerikanischen Jesus-People wohnten, die uns zu Jesus führten. Sie wohnten in einer Wohngemeinschaft mit anderen Amerikanern zusammen, die ebenfalls hier in Deutschland die Botschaft von Jesus weitertragen wollten. Murray Bradfield, der Leiter dieser Gruppe, ein Baptistenpastor, der uns auch damals zu Jesus führte, taufte uns in einem Baggersee nach Jesus-People-Manier: mit Jeans. Ich weiß noch, dass Siggi nicht ganz so begeistert war; er hätte diese Zeremonie nicht mitmachen müssen.
Doch nun war die Zeit in Lüneburg ganz vorüber. Wir fuhren mit dem VW-Bus Richtung Freiburg, da in der Nähe unsere Eltern wohnten. War das schön. Mit dem eigenen Auto nach Freiburg - weg von Lüneburg.
Unterwegs suchten wir noch Heidelbeeren, als wir eine Rast einlegten.
Bei Srah's und Deborah's Eltern hatten wir die Gelegenheit, den Bus anzupinseln. Mit roter Farbe sah er sehr auffällig aus; und mit weißer Farbe schrieben wir in grossen Buchstaben  „Komm in Ordnung mit Gott“ und andere Slogens.
Nun waren wir für unsere erste Missionsreise gerüstet. Wohin soll es gehen?
Deborah und Siggi waren im vorigen Sommer, als Sarah und ich nach Indien unterwegs waren, in Amsterdam, im Vondelpark. Da trafen sie viele junge Leute. Das wäre die super Gelegenheit, von Jesus weiter zu erzählen. Also fuhren wir kurz entschlossen nach Amsterdam.
Wir erlebten unser erstes Heilungswunder: Sarah hatte entdeckt, dass sie einen Wurm im Stuhlgang hatte. Also beteten wir und nie wieder lies sich ein Wurm blicken. So gingen wir wie 'richtige Missionare' an 'unsere Arbeit'. Ich hatte meine dickste Bibel unterm Arm, aus der die bunten Bändel hingen.
 
Im Vondelpark trafen wir ebenfalls 'Missionare'. Sie nannten sich „Kinder Gottes“. Wie war ich doch beeindruckt. Kinder Gottes! Sie luden uns zu sich in ihr Haus ein. Etwa 100 junge Menschen lebten da. Das Haus war nicht sehr groß! Viele übernachteten wohl im Park. Aber zu den Essenszeiten gab es schon ein kleines Gedränge von der Treppe runter in die Küche. Enorm. Ich war begeistert. Deborah war am meisten begeistert. Sie blieb bei den 'Kinder Gottes'. Später erklärte sie, dass sie auch deshalb blieb, damit sie ihren Freund los bekam; Siggi schien nicht so 100%-ig Jesus nachfolgen zu wollen.
Bevor wir von Amsterdam wegfuhren und Deborah zurück ließen, beteten wir noch zusammen. Dabei fragte ich Gott, was wohl zwischen ihm und mir noch trennend stände. Denn Deborah's Entschluss imponierte mir sehr. Und nun wollte ich wissen, was zwischen mir und Gott stände, denn ich wollte so entschieden sein wie Deborah. Da wurde die dicke Bibel noch schwerer, als sie schon war. Ich verstand dabei Gottes Reden so: diese Bibel, mit den vielen Erklärungen, muss weg, da Gott mich aus der Schrift mit der Schrift belehren wollte und ich nicht durch die vielen theologischen Angaben nur 'menschliches Wissen' erhielte.
 
Nun waren wir nur noch zu dritt! 10 kleine Negerlein ..., da waren's nur noch 3. Wir fuhren zurück nach Freiburg.
Das erste schöne Erlebnis war dies, dass wir auf eine Hochzeit bei der Pfingstgemeinde eingeladen wurden. Jemand hatte auf die Windschutzscheibe eine Einladung zur Pfingstgemeinde angeheftet. Und wir kamen gerade recht zur Hochzeit der Tochter eines Radiomissionares, Israel Wasslowski. Die Einladung erhielten wir sicher auch deshalb, weil der Pastor, Günter Habicht, die Jesus-People-Bewegung voll aufnahm. Und wir waren nun mal auch nach Außen hin als 'echte' Jesus-People zu erkennen: der rote, mit weiser Farbe beschriftete Bus, die langen Haare etc.
 
Und dann kam der Tag, an dem wir nur noch zu zweit waren. Wir lernten nämlich die 'Ortsgemeinde' um John So kennen, die uns anfangs sehr beeindruckte. Nur konnte und wollte ich es nie so recht glauben, dass alle Christen vor dem Thron Gottes gefragt werden würden, mit wem sie aufgebaut worden seien. Nur in der 'Ortsgemeinde' wurde man angeblich recht aufgebaut, da sie nicht in die Spaltung investierten, sondern in den wahren Leib Christi, eben der Ortsgemeinde.
Wir hatten nun öfters Diskussionen mit Siggi. Und an dem Morgen, als unser letztes Geld aufgebraucht war, war auch Siggi weg. Er ging zur Ortsgemeinde.
Vielleicht würde er heute bekennen können, dass er eigentlich deshalb ging, weil nun sein Geldbeutel herhalten hätte müssen. Bis jetzt lebten wir von Sarah's und meinem Ersparten. Auch arbeitete Siggi nicht, wie wir alle anderen, in Lüneburg. Vielleicht lebte er da schon von unserem Geld, was wir verdienten. Sein Konto blieb unangetastet und fett. Und nun sollte Siggi von seinem finanziellen Polster investieren. Aber so kam es eben.
An dem Morgen, als Sarah und ich alleine im VW-Bus aufwachten, drehte ich mich zu Sarah und sagte: „Sarah, ich habe Hunger.“ Sarah sagte entschlossen: „Bet' lieber, du Fresser!“. Wir hatten wirklich nichts zum Essen und auch kein Geld, um etwas einzukaufen. Ich drehte mich um zur Autowand und fing an zu beten. Ein Brett war von der Motorerhöhung hinten nach vorne auf eine Kiste gelegt und bildete mein Bett; Sarah hatte auf dem Fußboden Platz.
Mir war es nicht zum Beten zu Mute. Ich kletterte aus meinem Schlafsack, stieg über Sarahs Nachtlager und zog mich an. Ich ging raus in den Stadtgarten, bei dem wir geparkt hatten. Dabei kam mir die Idee, eine ältere Frau zu besuchen, deren Adresse wir zwei Tagen zuvor, am Samstag, bei der Mission bekamen. Wir waren jeden Tag im Park und in der Stadt am Missionieren und dabei trafen wir einen Mann, der uns die Adresse dieser alten Glaubensschwester gab, mit den Worten, dass sie uns sicher gerne kennen lernen würde.
Die älter Frau, Paula Stengel, öffnete die Tür und ihre erste Frage war: "Hast Du schon gegessen? " Es gab Apfelmus und Pfannkuchen. Mmh! Ich erzählte ihr, dass wir mit unserem VW-Bus am Stadtgarten standen und dort "wohnten". Ich erzählte ihr von dem, was wir taten.
Beim Abschied ging sie ins Schlafzimmer, holte ihren Geldbeutel und gab mir 20,-- DM (10 Euro). Das waren unsere ersten Finanzen, die uns Gott anvertraute! Halleluja.
Siegesfroh ging ich zu Sarah zurück, die immer noch eingewickelt auf dem Boden lag. Nun konnten wir uns etwas zum Essen einkaufen.
Von da an versorgte uns Gott. Einmal hatten wir nur noch 10,-- DM. Ich wollte für 5,-- DM tanken und den Rest zum Essen sparen. Doch da ärgerte ich mich "heilig" über meinen Geiz und ich vertankte alles. Wir waren auf dem Weg in die Gemeinde von Bruder Post, einer Maranatha-Gemeinde. Er sprach über Abraham und Lot. Lot lebte lieber da, wo das Leben leicht war, während Abraham sich an Gott und seiner Verheißung ausrichtete.
Nach dem Gottesdienst kam der Prediger auf uns zu und fragte, wer wir seien. Wir sagten ihm, dass wir im VW-Bus lebten und in der Stadt missionierten. Er war sehr von uns angetan. Gott habe ihm schon oft gesagt, er solle öffentlich predigen (später traf ich ihn auf dem Münsterplatz mit seinen Getreuen, sie sangen, zB. "es eilt die Zeit..." und er predigte). Beim Abschied drückte er mir einen Geldschein in die Hand, den ich gleich in die Jackentasche steckte. Als wir dann im Bus wieder waren, holte ich den Schein heraus und war fast gelähmt: 100,-- DM! Als wir dann müde in unseren Schlafsäcken lagen und über uns die Eiszapfen wuchsen, da dachte ich, dass man mit Geld nur dann etwas anfangen kann, wenn die Geschäfte geöffnet hatten, nicht wenn man in Not ist. Denn mit den 100,-- DM konnte man nun nichts anfangen.
Ein Andermal sprach ich mit einem jungen Mann auf dem Münsterplatz über meinen Glauben. Er konterte verächtlich, indem er mich darauf hinwies, dass er einen Freund in Amsterdam habe, der nun auch an Jesus glaube, aber ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weil ihn Gott nicht versorgte. Und dabei bot er mir eine süße Waffel, die er auf dem Münsterplatz kaufte, an. Ich lehnte ab, weil ich es einfach nicht vermochte, von ihm zu leben, der sich so über meinen Glauben lustig machte.
Ich hatte aber Hunger! Hatte auch etwas Angst, dass es mir wie dem aus Amsterdam gehen könnte, der ins Krankenhaus kam. Doch dann dachte ich daran, dass wenn ich dasgleiche Fahrzeug habe, wie ein anderer, der es schieben musste, dann heißt es nicht, dass ich mein Fahrzeug auch schieben werden muss! Und lieber wollte ich sterben, als von ihm ein Almosen zu empfangen.
Wie gut ist doch Gott: Jakobus aus Lüneburg hatte mit dem Marburger-Kreis, das ist ein Bibelkreis, der von Artur Richter gegründet wurde, in Freiburg Kontakt aufgenommen, dass sie sich etwas um uns kümmern sollten. Nun war der Zeitpunkt gekommen, wo wir von dem Leiter des Marbuger-Kreises in Freiburg eingeladen wurden. Er wohnte in Freiburg/Landwasser. Man bedenke: ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen und die Almosen dessen, der mir die süßen Waffeln anbot, hatte ich abgelehnt! Wir kommen zu dem Leiter und finden einen riesen Tisch vor, gedeckt mit viel Essen. Wir wurden wie Könige bewirtet.
Die Versicherung für den VW-Bus hatten wir bis jetzt noch nicht bezahlt und wussten auch nicht, wie es praktisch gehen kann, da wir nicht mehr in Lüneburg wohnten, wo wir den Bus angemeldet hatten. Also "stellten" wir uns der Versicherung in Freiburg. Sie waren sehr verwundert, dass wir bis jetzt noch nicht bezahlt hatten. Die Versicherung sollte 600,-- DM kosten. Wir hatten aber in der Regel nur so etwa 10 bis 50 DM. Doch Gott lies uns nicht im Stich: Sarah's Mutter hatte bei einer Verlosung teil genommen und genau 600,-- DM gewonnen. Sie gab uns das Geld und die Versicherung war bezahlt.
Es gab auch sehr starke Engpässe bei der Versorgung. So hatten wir an einem Samstag kein Geld, um für den Sonntag einzukaufen. Wir machten uns aber ganz bewusst keine Sorgen, sondern glaubten, dass Gott Wege habe, uns zu versorgen. Denn was Jesus im Matthäusevangelium über die Prioritäten im Leben lehrte, war unsere Losung (im 6. Kapitel, Vers 33: "Trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit - und alles andere wird euch zufallen!")). Kurz bevor die Geschäfte schließen, ging ich nochmals in den Stadtgarten; und wen traf ich? Meine Oma, die ebenfalls in Freiburg/Herdern wohnte. Sie sah mich und war etwas geschockt. Denn ich war wirklich nicht das brave Kind: barfuß lief ich rum, hatte lange Haare und hatte auch nicht die gebügelte Wäsche an. Sie, die Frau des Schulrektors a.D., blieb etwas befremdet vor mir stehen, sagte aber wie aus heiterem Himmel, dass sie mir ja jetzt schon das Weihnachtsgeschenk geben könne (im September!). Sie kramte ihren Geldbeutel heraus, bemerkte, dass sie leider keinen 10-DM-Schein habe, und gab mir deshalb einen 20-DM-Schein. Schnell versuchte ich sie los zu werden, damit wir noch vor Ladenschluss einkaufen konnten.
Wir lernten auch verschiedene Glaubensgeschwister kennen, die uns gerne besuchten. Selbst mit dem Kloster auf der anderen Straßenseite, wo wir unsere 'Wohnung' geparkt hatten, hatten wir einen guten Kontakt: am Nikolaustag hängten uns die Mönche ein Säckchen mit Süßigkeiten an unseren Autospiegel.
In unserem VW-Bus mussten wir uns nun wirklich gegen die Kälte schützen. Wir trennten das Führerhaus von unserem Wohnbereich durch Pappe und 'heizten' mit Kerzen etwas.
In einer Nacht, als wir schon fast eingeschlafen waren, hörten wir vorn im Führerhaus Geräusche. In Unterhose stieg ich aus dem Wagen und sah vorne durch die Scheibe, wie jemand unseren Scheibenwischermotor am Ausbauen war. Wir hatten ihn doch selbst erst vor wenigen Tagen bei einem alten VW-Bus ausbauen dürfen. Ich klopfte an die Scheibe und vertrieb den Eindringling und rannte ihm noch ein paar Meter in Unterhose nach.
Über Weihnachten wollte Deborah nach Hause kommen. Wir freuten uns, denn wir hatten mittlerweile oft gehört, dass die 'Kinder Gottes' eine gefährliche Sekte sei. Wir trampten sogar einmal nach Amsterdam, um sie heraus zu holen. Die Tramptour gestaltete sich sehr schwierig, da es schon kalt wurde. Doch Gott half uns durch. Einmal ärgerte ich mich so sehr darüber, dass niemand anhalten wollte. Nachdem ich alle Gebetsformen, die ich kennen lernte, anwandte, wie loben, bitten, bekennen, etc. gebot ich dem nächsten Auto, dass es anhalten müsse. Und es hielt an - fuhr aber leider nicht in unsere Richtung. Also lies ich Gott wieder entscheiden, welches Auto er für uns anhalten wollte. Irgendwann hielt ein Sportwagen, in dem es sehr mollig warm war. Ich bekam fast Tränen, weil ich sah, dass uns Gott nicht im Stich gelassen hatte.
Die Mission zur Rettung von Deborah schlug leider fehl.
 
So freuten wir uns, dass sie über die Weihnachtstage kommen wollte.
Sie kam und erzählte uns über die Vorzüge von Mose David, dem Gründer der Gruppe. Sie konnte das so gut darstellen, dass wir uns bereit erklärten, mit ihr zu kommen. Wir schlugen unsere Zelte in Freiburg ab und gingen mit ihr nach Heidelberg in die dortige 'Kolonie'.
Eigentlich hatte Gott uns durch den Marburger Kreis eine Wohnung gegeben. Aber weil wir nun mit Deborah Freiburg verliessen, verliessen wir auch die Wohnung, in die wir noch nicht eingezogen waren. Dass wir mit Deborah zu den Kinder Gottes gingen, war nicht nur, weil 'Gott uns überzeugte', sondern weil ich auch Angst hatte, wir könnten die Wohnung nicht bezahlen! Ja, ich hatte immer Angst vor der Zukunft – obwohl ich keine Situation erlebte, wo Gott uns im Stich lies!
Es war schon beeindruckend, wie die Kinder Gottes lebten und missionierten. Jeden Tag gingen wir nachmittags und abends nach Heidelberg in die Stadt und sprachen mit jungen Leuten über Jesus. Das war schön. Doch dann wurden Sarah und ich getrennt; ich kam in die Schweiz nach Huttwil und Sarah nach Essen, in die Hauptkolonie Deutschlands.
Bevor ich aber nach Huttwil geschickt wurde, wurden mir die langen Haare abgeschnitten, denn: Gott ist kein Hippie (wurde uns erklärt)! Im Gebet erhielt ich an diesem Abend (von Gott, wie ich glaube) einen neuen Namen: Tobias.
 
Die Fahrt in die Schweiz war wie ein Viehtransport. Wir waren etwa 15 Personen und fuhren in einem Kastenwagen hinten mit. Über die Grenze mussten wir trampen. Der, mit dem ich trampen musste, sang und tanzte an der Strasse, während ich durch die Kälte verknittert war. Dieser Bruder machte mich auch auf die Bibelstelle in Amos 8,11-13 aufmerksam.
Auf der ganzen Fahrt von Heidelberg nach Basel bekam ich immer mehr Zweifel, ob dies wirklich der richtige Weg für mich sei. Als wir auf der Autobahn bei Riegel vorbei kamen, legte ich Gott ein Zeichen vor, das mir sagen sollte, ob ich hier austeigen solle. Ich meine, gemäß dem Zeichen, das ich von Gott forderte, hätte ich austeigen sollen. Das machte natürlich die Weiterfahrt nicht einfacher.
In Huttwil sollte ich die Mo-Briefe (das sind die Briefe, die Mose David an alle Kolonien regelmäßig versandte) auswendig lernen. Ich hatte schon Probleme mir Bibelverse zu merken, und nun die Mo-Briefe, die für mich keinen Ewigkeitswert hatten!
Irgendwie war ich so bedrückt, dass ich gegen Nachmittag des ersten Tages zur Leitung ging und ihr mitteilte, dass ich gehen werde. Ich weiß nicht, wo ich diesen Mut her hatte. Deborah war auch in dieser Kolonie in Huttwil und wollte mich, Gott sei Dank, nicht überreden, zu bleiben.
Ich wurde zur Autobahn gebracht und man gab mir noch etwas Geld mit. Unseren roten VW-Bus musste ich in der Gruppe lassen. Schon wom ersten Tag an wurde er von der Gruppe beschlagnahmt. Er gab auch ein paar Wochen später den Geist auf - aber die Versicherung und die Steuern musste ich bis zum Ende zahlen.
Ich stand nun an der einsamen Autobahnauffahrt irgendwo in der Schweiz, irgendwo zwischen den Bergen und war in mir verurteilt: nun war ich Gott ungehorsam geworden! Denn ich ging nicht, weil ich glaubte, dass Gott mich heraus aus der Gruppe führte, sondern weil ich innerlich nicht mit machen konnte. Ich vermutete eher, dass ich Gott ungehorsam war, als dass ich dahinter Gottes Hand gesehen hätte. Würde Gott mich noch segnen? Oder werde ich tagelang hier an der Autobahn stehen und wie schweizer Käse aussehen, weil mich niemand mitnehmen wollte? In der Schweiz war trampen immer schon sehr schwer.
Doch war ich total überrascht, als das erste Auto anhielt und mich bis an die Abzweigung Basel-Zürich mit nahm. Von da ging es auch sehr schnell, so dass ich bald in Basel an der deutschen Grenze stand. So schnell war ich noch nie weitergekommen. Bis Riegel/Kaiserstuhl, wo meine Mutter wohnte, war ich auch recht schnell und sank müde ins Bett. Als ich in meinem Bett lag und die Ereignisse des Tages Revue passieren lies, da versprach ich Gott, dass ich ihm folgen will, auch wenn ich im Strassengraben schlafen müsste!!
Am nächsten Morgen fuhr ich per Anhalter nach Heidelberg, um Sarah ab- bzw. raus zu holen. Ich war nicht sicher, ob sie mit mir käme. Aber ich dachte an das Buch "Tobias" in den Apokryphen (Bibel), wo auch die Hauptperson, Tobias, seine Sarah heimholte. Als ich dann in der Kolonie in Heidelberg ankam, musste ich im Besucherzimmer warten; ich durfte nicht in die Kolonie! Alle wussten schon, dass ich ausgetreten war. Und Sarah verkündigte mir, dass Gott am Vorabend ihr gesagt hätte, dass dies ihre Familie sei. Ich konnte nicht mehr schlucken und auch nicht reden, da ich einen großen Klos im Hals verspürte. Müde und zerschlagen stand ich auf und wollte gehen. Ich stand da, wie einer, dem man einige Säcke auf den Buckel auflud, die aber bei mir nicht nur auf dem Rücken lagen, sondern auch im Halse steckten.
Da sagte Sarah, sie werde noch mal beten. Nach kurzem kam sie zu mir ins Besucherzimmer und verkündigte mir, dass sie mit mir käme, wo ich hinginge. Ich war riesig froh!
Wir mussten wieder mit der Leitung sprechen. Petrus, ein ehemaliger Jesus-People, sprach verächtlich über die Jesus-People und rühmte die Kinder Gottes. Ich hörte kaum hin, weil ich ihn sehr arrogant empfand. Nachdem sie uns noch eine Warnung mit auf den Weg gaben, dass man Gott nicht davon laufen kann, traten wir ins Freie, ja, in die Freiheit. Es war, trotz der Kälte, ein großes Gefühl mit Sarah zur Autobahn zu gehen und nach Riegel zu trampen.
 
Wir hatten 2 Wochen bei den Kindern Gottes verbracht. Nun hatte ein neues Jahr begonnen. Wo sollten wir hin, was tun? Wer würde uns lehren?
Diese letzte Frage lastete sehr drückend auf mir. Da las ich im Galaterbrief, dass Paulus das, was er verkündigte, nicht von Menschen gelehrt bekam, sondern dies habe er durch die Offenbarung von Jesus erhalten. Jesus war das Muster seiner Lehre. Das tröstete mich sehr. Gott wird mich lehren! Damit konnte ich leben.
 
Das war das erste Jahr. Soviel geschah in diesem Jahr! Ich hatte danach etwas Bange, ob wir noch richtig vor Gott lebten, als ich merkte, dass nun nicht mehr soviel geschah. Da half mir das Bild von der Pflanze, die im ersten Abschnitt ihres Lebens sehr schnell nach oben schießt, 2 Blätter bildet und dann scheint alles stehen zu bleiben. Aber nein, die Wurzeln bilden sich aus. Dies sieht niemand, aber ist so wichtig, damit nicht, wenn die Hitze des Tages kommt, alles verdorrt.
 
 
 
Da wir wieder mit Uli zusammen kamen, den wir am Stadtgarten an unserem VW-Bus trafen, bevor wir zu den Kinder Gottes gingen (er hatte in Waldkirch ein Appartement, in dem sein Freund Rafael mit Nachtigall wohnte), lud er uns ebenfalls in dieses Appartement ein, mit zu wohnen.
Da wir von den Kindern Gottes gelehrt wurden, neben frommen Dingen, wie Bibelarbeiten zu machen und zu missionieren, auch in Fabriken etc. zu betteln, gingen wir in Waldkirch eines Tages in die dortige Milchzentrale. Wir waren selbst gespannt, ob Gott uns Milch und andere Milchprodukte geben würde. Der Chef in der Milchzentrale sagte ohne Umschweif, dass er uns gerne Milch gibt. Beladen gingen wir, wie Jäger mit Trophäe, nach Hause. In unserer Vorstellung hatte Gott uns die Milch gegeben.
Die Zeit bei den Kindern Gottes, obwohl sie nur 2 Wochen dauerte, ging nicht "spurlos" an uns vorüber. Wir hatten noch lange das 'Gute' behalten und das 'Schlechte' verworfen. Doch eigentlich wussten wir kaum, was gut und schlecht bei den Kindern Gottes war. Das Problem bei solchen Themen liegt ja nicht im irdischen Bereich, sondern es ist der Geist, der darin wohnt. Denn es konnte alles gut und richtig laufen, aber der Geist in der Gruppe war ein Geist der Rebellion - und treibt zur Rebellion! Und damit wird jede noch so kostbare Bibelstelle verfärbt. Dieser Geist macht auch leichtsinnig, wenn es darum geht, alte Grenzen zu verschieben. Und das taten die Kinder Gottes sehr unkompliziert: Sex, Drogen, ja Kontakt mit Geistern zu pflegen, gehörten irgendwann zum 'guten Ton', man folgte Jesus eben 100% nach, man gab alles, auch seine Seele der Sache und seinen Körper den Nichtgläubigen – Prostitution!
 
Die Zeit nach den Kindern Gottes war ein Neuanfang! Wir hatten mit Rafael und Nachtigall und ihrer Schwester Mahela gute Gemeinschaft und wir bildeten ein Missionsteam. Nachtigall hatte den Namen deshalb, weil sie einen sehr schweren Sprachfehler hatte und keinen Satz sagen konnte, ohne nicht enorm zu stottern. Sie bekam den Rat, sie solle doch einfach singen. Und das klappte sehr gut.
Aber dieses neue Missionsteam war von den Kindern Gottes geprägt - nicht so sehr in der Lehrausrichtung. Wir achteten darauf, nicht mit den Kindern Gottes verglichen zu werden. Die Prägung lag vielmehr in der Rebellion, in dem elitären Verhalten. Und wer elitär ist, der nimmt auch gerne Schwierigkeiten auf sich, wie zB. Verachtung, Mangel etc.
 
Am 1. Mai hatten wir eine Taufe. Mit Uli's rosarotem Kleinwagen fuhren wir an einen Baggersee bei Teningen und tauften Mahela, Rafael und Nachtigall. Etliche konnten wir im Laufe dieser ersten Zeit taufen. Die interessanteste Taufe war wohl diese: wir fuhren mit einem VW-Käfer, der wirklich bis auf den letzten Platz belegt (überbelegt) war, zum Baggersee in Freiburg-Nord. Es regnete wie aus Eimern, als wir losfuhren. Die Scheibenwischer konnten gegen die Wassermengen nicht ankommen. Aber wir wollten doch taufen und glaubten, dass es bei der Taufe nicht regnen würde. Wir fuhren nur etwa 5 KM. Und als wir am Baggersee ankamen, da schien die Sonne. Wir konnten taufen. Nach der Taufe gab ich den Täuflingen einen Bibelvers. Ich öffnete mein kleines NT und blieb bei einem interessanten Vers hängen: "Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel, die sprach...." Ja, das wird sicher ein guter Vers für den einen Täufling sein - dachte ich, weil er mit "... eine Stimme aus dem Himmel ..." begann. Also gab ich ihm diesen Vers. Der Text war aus der Apostelgeschichte, wo Petrus eine Vision hatte und eine Stimme aus dem Himmel zu ihm sprach. Als ich den Vers ihm gab, da war ich doch ein wenig ernüchtert, da es im Text nur ums Essen ging. Ich erwartete eigentlich eine imposante Aussage, die Mut machen könnte. Doch der Täufling sagte: "Super! Ich war Vegetarier und nun soll ich, weil es Gott gereinigt hat, Fleisch essen dürfen." 
 
 
Josef Ehrentaler, der Vater von Mahela und Nachtigall, "band" uns fünf, Rafael, Nachtigall, Mahela, Sarah und mich, zu einem Team zusammen (er wollte uns gerne 'Living Stones' nennen!). Wir lebten zwar schon in Waldkirch in Uli's Appartement zusammen und hatten schon einige Einsätze in Diskos und ähnlichen Jugendtreffs. Aber er versuchte, dass die Gruppe sich "formiert"; das hieß für ihn, dass ich der Leiter sei. Das war dann nicht einfach, da Rafael es nicht so annehmen konnte. Er war sehr schnell auf 100 zu kriegen. In der Folgezeit hatten wir deshalb viele Probleme. Als es mal ganz schlimm wurde, da wählten wir jeden Morgen mit dem Los, wer an diesem Tag die Leitung übernehmen solle.
Als er wiedermal auf 100 war, (ich hatte ihm in seiner Wut nicht nachgegeben, was ihn noch mehr erregte, denn Wut will herrschen!), schmiss er mit der Milchtüte nach mir. Wir sassen gerade beim Frühstück. Ich konnte ausweichen und die Milch flog genau auf die Landkarte von Israel, die hinter mir hing. Ja, ein Land, wo Milch und Honig floss.
Ein andermal wollte ich mich nicht so anbrüllen lassen, was ich auch von ihm unverschämt fand, weil er mit seiner Wut einfach klare Vehältnisse schaffte: er beanspruchte Recht, das er nicht hatte! So brüllte ich dann in seinem Tonfall zurück. Leider (oder sicher gut so!) erzielte ich nicht die Wirkung, die ich beabsichtigte. Zu guter Letzt musste ich mich bei ihm für meinen Ton entschuldigen, weil ich damit nicht leben konnte.
Es war wirklich nicht einfach. Aber wir hatten doch eine gesegnete Zeit mit einander.
Josef Ehrentaler lud uns im Sommer '73 auf einen Campingplatz in Norddeich ein, wo wir dann mit seiner Familie einen "Missionsurlaub" machten.
 
 
Josef organisierte ein Missionszelt von der Pfingstgemeinde in Norden, zu dem wir dann für die Abende einluden.
Beim Aufbau des Zeltes schlug ich mir mit dem schweren Hammer vors Schienbein. Ich ging vor Schmerzen in die Hocke und stöhnte. Da schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass der Teufel mich lahm legen wollte. Ich gebot dem Schmerz, dass er mich verlassen muss. Der Schmerz verlies mich vollkommen und sogleich! Danke Jesus.
Vormittags gaben wir Schulunterricht und abends gestalteten wir das Programm im Zelt mit. Einmal "übernahm" ich die Abendpredigt aus Protest, weil wir uns nur als "Laufburschen" empfanden. Mein Stolz konnte nicht damit umgehen. Doch der eingeladene Redner hielt trotzdem nach mir seine Predigt! Doch für mich war es eine Genugtung zu sehen, wie der Prediger und Josef auf den Stühlen herumrutschten und immer wieder versuchten, mir die Uhr an ihrem Arm zu zeigen!
Oft beteten ganze Schulklassen zu Jesus (Gott weiß, was vor seinen Augen "rechenbar" ist). Wir selber lagen im Endzeitfieber, was auch die Dringlichkeit unseres Anliegens mit Jesus unterstützte und unterstrich! So war es ja auch bei den ersten Christen, die sich mit dem Gruß "Maranatha" (= "der Herr kommt/komme bald") grüßten. Ich weiß noch, wie es mich begeisterte, als mir die Jahreszahlen auffielen, dass 1917 die sogenannte "Belfour-Erklärung" abgegeben wurde, wonach das jüdische Volk eine Heimstätte in Israel errichten durfte. Und genau 50 Jahre später, 1967, wurde die Stadt Jerusalem vereinigt, gemäß dem Gesetz Mose, dass im Halljahr (50. Jahr) wieder zusammenkommen muss, was zusammen gehört.
 
Dort in Norddeich gab es auch eine Disko, sie hieß Meta, die übers Wochenende rammelvoll war. Wir missionierten immer bis zum Morgengrauen. Dann gingen wir fast schlafwandlerisch auf den Campingplatz, duschten und legten uns schlafen.
Josef, der evangelischer Pastor war, nahm uns auch mit, als er eine Einladung in eine Kirche bekam. Hier wurden wir die "Vorzeige-Jesus-People". Wir spielten unsere Rolle auch recht gut: wir sangen vorn im Altarraum flotte Lieder und zogen einzelne Kirchenbesucher aus ihren Bänken, dass sie mit uns tanzen sollten. Auch Omis machten mit. Ob das heute noch möglich ist?
Der Sommer ging zu Ende und wir wollten auf die Insel Norderney. Ein Glaubensbruder, der bei der Fähre arbeitete, besorgte uns kostenlose Schiffstickets. So sorgte Gott für uns.
Auf Norderney konnten wir in einem evangelischen Hospiz übernachten. Die erste Nacht aber konnten wir nicht da übernachteten, weil die Chefnonne nicht einverstanden war. Deshalb übernachteten wir bei einer Frau, die wir auf der Straße kennen lernten. Unser Motto war nämlich dies: missionieren bis Gott uns eine Tür öffnet. Das entsprach dem Bibelwort: "trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit, und alles andere wird euch zufallen." (Matth. 6,33).
Am nächsten Morgen gingen wir in das evangelische Hospiz, um Post abzuholen, die wir uns dahin schicken ließen, weil wir glaubten, Gott würde uns da eine Tür öffnen. Als wir bei dem Hospiz ankamen, entschuldigte sich die eine Diakonisse, weil sie uns am Vortag abblitzen lies und bot uns einen Teil eines Saales an, der als Rumpelkammer benutzt wurde. Diese Diakonisse brachte dann täglich unter ihrem großen Schurz Lebensmittel aus der Küche für uns.
Hier fingen wir auch an, auf der Straße zu predigen (eigentlich nur Rafael). Rafael war sehr mutig. Es versammelten sich oft etwa an die 100 Leute, die sich um uns aufstellten und zuhörten. An einem Abend wollte uns die Polizei wegschicken, weil es Ruhestörung wäre. Aber die Zuhörer ergriffen für uns Partei, so dass die Polizei wieder ging.
 
Als die Zeit in Norderney zu Ende ging, beteten wir in einem kleinen Pinienwäldchen, damit wir von Gott hören würden, wo er uns nun als nächstes haben wolle. Jeder ging alleine an einen Platz im Wäldchen und betete.
Ich schaute zum wolkenverhangenen Himmel empor und fragte, wo Gott uns hin schicken wolle. Da sah ich einen Pfeil in S-Form, wie mit einem Messer aus den Wolken geschnitten. Ich nahm den blauen Pfeil in Gedanken vom Himmel und legte ihn auf eine Landkarte, die ich in meinem Kopf konstruierte. Da ich eine Landkarte im Sinn hatte, auf der Europa und die Mittelmeerländer waren (nach dem Motto: "stecke deine Pflöcke weit"), zeigte der Pfeil genau auf Israel. Super. Ich interpretierte dies, dass Gott will, dass wir nach Israel fahren! Das war mir klar. Es kostete auch keine großen Überredungskünste, um die anderen dafür zu gewinnen. Da wir ja bei unserer Bekehrung unseren Plan, nach Israel zu fahren (um Jesus etwas besser kennen zu lernen und zu verstehen), aufgaben, empfand ich es als ein Geschenk von Gott, dass er nun sagt: "Geht nach Israel!" An Geld dachte ich nicht; denn ich glaubte, dass Gott uns versorgen wird!
Doch da der Pfeil nicht geradewegs auf Israel zeigte, entnahm ich, dass wir noch etwas zu erledigen hätten. Und das war auch so: Sarah und ich wollten heiraten; aber da Ede, Sarah's Vater, in die Heirat nicht einwilligte, sondern sagte, ich solle warten, bis Sarah volljährig sei, musste ich bis zum 17. Januar 1974 warten. Rafael und Nachtigall wollten auch heiraten. Sie wollten in Lüdenscheid, wo Rafaels Eltern wohnten, ihre Papiere zusammen bekommen. Wegen ihren Papieren mussten wir noch nach Berlin fahren, da Rafaels Eltern nach Berlin zwischenzeitlich umgezogen sind. Das war für uns nicht schlimm, denn wir machten daraus eine Missionsreise.
Wir fuhren mit Hiskias VW-Bus nach Berlin; es war sehr kalt, denn auch die Heizung funktionierte in dem Bus nicht. Ich weiß noch, dass wir bei einem Ehepaar, sie kamen aus Korea, zum Abendessen eingeladen waren. Als wir dann spät abends uns auf den Heimweg machten (ich glaube wir schliefen bei Rafael's Eltern), da wusste ich nicht, ob die Straße glatt sei. Also fragte ich Gott, ob die Straßen glatt seien. In dem Moment drehte sich ein Auto vor uns um seine eigene Achse. Ich sagte " danke Jesus" und fuhr vorsichtig weiter.
Wir trampten also von Norden nach Lüdenscheid, damit Rafael seine Papiere fertig machen konnte. Der erste Teil des Teams, das schon am selben Tag ankam, schlief im "Loher Wäldchen". Da stand eine offene Hütte mit Bänken an den Wänden, auf denen man gut schlafen konnte. Die Polizei, die Kontrolle fuhr, hörte so die Botschaft von Jesus.
Bei einer Wim Malgo - Veranstaltung (Mitternachtsruf) lernten wir am nächsten Tag eine Schwester kennen, die Hiskia kannte (Jahre später starb er an Krebs). Sein 'original Name' bed. 'starker Kerl', und deshalb wollte er einen neuen Namen. Von uns hörte er, dass man neue Namen bekommen könne. Und Gott gab ihm den Namen Hiskia. Er hatte in der Loherstraße ein Häuschen, in dem er alleine wohnte. Er betete ein paar Tage zuvor, dass Gott ihm doch junge Leute schicken solle, die mit ihm wohnen wollten. Und wir kamen! So lies er uns in seinem Haus wohnen.
Hiskia war sehr beeindruckend; er gab sein Geld, nachdem er die regelmäßigen Zahlungen beglich, an Arme und an Missionsgesellschaften, die es im Siegerland wahrlich nicht wenige gab. Er glaubte, dass Gott ihn für den Rest des Monats versorgen würde. Klasse. Von ihm erhielten wir auch den VW-Bus. Ich weiß noch, als wir gerade wenige Tage bei ihm wohnten, da lieh er ihn uns aus, und ich wusste in mir, dass wir diesen Bus bekommen werden.
Dieses Häuschen hatte unten eine Bücherstube, die wohl der Ecclesia-Gemeinde, die von einem Glaubensbruder Traugott geleitet war, angeschlossen war. Hier hatten wir die Möglichkeit nach Herzenslust Bücher zu lesen.
 
Sarah und ich heiraten in Riegel standesamtliche am 17. Januar 1974. Wir feierten im kleinen Kreis bei Sarah's Eltern in Niederhausen bei Herbolzheim. Dabei war meine Mutter, die Eltern von Sarah, das Team mit Rafael, Nachtigall und Machela. Mit Lautsprechern an den Straßenecken in Riegel, durch die die Dorfverwaltung ihre Informationen durchgab, wurde nun bekannt gegeben, dass zwei Menschen heirateten. Da wir aber nicht wie Hochzeitsleute gekleidet waren, schauten die Dorfbewohner, als die Musik und dann die Ansage kam, wo denn das Brautpaar wäre. Sie sahen niemanden. Denn uns konnte man nicht als Hochzeitsleute erkennen. Denn wir gingen in unseren Jeans, die wahrlich nicht neu waren, und auch in Alltagskleidung. So erkannte in uns niemand das angekündigte Hochzeitspaar. Das war uns lieb so.
Da wir keine Kochtöpfe und dergleichen wollten, baten wir alle, die uns beschenken wollten, dass sie uns lieber Geld geben sollten. Wir wollten doch nach Israel, wie Gott es uns auf Norderney durch den Pfeil zeigte, dass es in seinem Willen läge.
Rafael hatte mit seiner Nachtigall ja auch geheiratet, aber ihr Hochzeitsgeld wurde von Nachtigall's Vater aufgehoben! Sie bekamen es erst nach Israel in Form einer super Gitarre. Anscheinend waren Sarah und ich in finaziellen Dingen oft die 'Blöden', von denen man lebte. Wir merkten es aber (Gott sei Dank) nicht. Wir gaben unser Hochzeitsgeld in die Gemeinschaftskasse und damit für die Israelreise.
Wie sollten wir nach Israel kommen? Mit dem VW-Bus von Hiskia? Das heißt, wir müssten mit der Fähre übersetzen. Wir waren unschlüssig. Wir planten, als hätten wir das Geld schon in der Tasche. Aber wir hatten wie üblich KEIN Geld. Erst durch unsere Hochzeit bekamen wir Geld.
Aber das erste Geld für die Reise erhielten wir an einem Abend in einem Bibelkreis in Freiburg; wir berichteten von unserer letzten Reise nach Norderney. Am Ende gab eine Frau uns einen Umschlag, auf dem "Gute Reise" stand. Sie sagte, dass sie das Geld heute von der Bank abholte, aber Gott hätte ihr heute Abend gezeigt, dass sie uns das Geld geben solle. Wir hatten nichts von unserem Reiseziel erwähnt! Im Umschlag befanden sich 800 DM! So viel Geld hatten wir noch nie zuvor! Wir sahen darin eine Anzahlung Gottes für unsere Reise.
Also gingen wir zu verschiedene Reisebüros und erkundigten uns. Aber alles schien uns zu teuer. Dann lasen wir an einem Schaufenster eines Reisebüros: Schüler, Studenten und Jugendliche. Billige Preise. Wir gingen sofort hinein. Das Sonderangebot war 450,-- DM ein Ticket nach Israel und zurück. Wir wollten gleich die Tickets kaufen; aber wir mussten noch warten, da Miriam noch nicht ohne Erlaubnis ihrer Eltern, da sie noch nicht einmal 16 Jahre alt war, verreisen konnte.
Ein Bruder, Maranatha, schrieb uns eine Postkarte, dass er im Februar nach Israel fahren würde. Als ich diese Karte so in der Hand hatte, da wusste ich in mir, dass dies unser Termin sei. Es war mir absolut klar, es schien ein Reden Gottes zu sein.
Ich schrieb ihm zurück, dass er doch mit uns fahren könne. Er wohnte bei Siegen und wir lernten ihn bei irgendeinem Jugendkreis dort kennen. Er war für einige Wochen bei den Kindern Gottes gewesen. Also wollten wir ihm heraus helfen - und auch mit ihm zusammen sein. Er war ein 'Großmaul'. Wir holten ihn ab und fuhren wieder nach Emmendingen zu Uli.
Leider wurde es nichts mit unserem Termin, da die Einwilligung für Miriam nicht kam. Und ihr Vater war Alkoholiker! Der Termin verschob sich um eine Woche. Aber so wurden wir von der EL-AL auf die Swissair für den gleichen Preis umgelegt.
Doch das war schon stressig, weil wir nun keinen Platz mehr hatten, wo wir für die Restzeit bis zum Abflug wohnen konnten, da wir die Zelte abgebrochen hatten. Wir konnten bei einem Ehepaar des Bibelkreises, wo wir schon die 800 DM bekamen, für die Restzeit bleiben.
 
 
Der Flug war super. Ich fuhr in der Ersten Klasse von Basel nach Zürich, da es keinen Platz mehr in der Touristenklasse gab. Aber es wurde mir doch übel, als das Flugzeug startete und noch mehr, als es landete; schließlich war das mein erster Flug überhaupt! In Zürich stiegen wir um und flogen nach Tel Aviv. Hier flog auch eine amerikanische Baptistengruppe mit. Sie schenkten uns sehr dünne englische NT's (Neue Testamente). Wir trafen diese Gruppe noch mal in Jerusalem.
Als wir in Israel spät abends ankamen, da wussten wir nicht, wo wir schlafen sollten. Wir hatten ja kein gebuchtes Hotel. Nur unsere Rucksäcke und das Ticket. Also gingen wir vom Terminal weg und suchten uns in einer Orangenplantage einen schönen Platz. Die Luft war von dem Duft der Orangenblüten erfüllt.
Am nächsten Morgen fragten wir uns, wo wir nun hinfahren sollten. Klar: in die 'Stadt des großen Königs'! Also trampten wir nach Jerusalem. Das war sehr einfach, aber doch anders als in Deutschland. Hier trampte nämlich jeder, ob Soldat oder Zivilist. Also fuhr man in einem Auto vielleicht mit noch anderen Trampern, zu meist Soldaten.
Wie wird Jerusalem aussehen? In meiner Phantasie war es eine sehr große und schöne Stadt. Sicher würde man überall den Geist Gottes 'riechen'. Auf dem Weg hinauf nach Jerusalem sah man die Panzer vom 6-Tage-Krieg als Denkmäler. Und je näher wir nach Jerusalem hinauf kamen, desto neugieriger schaute ich mich um. Und dann die große Stadtmauer!
Es war schon Abend und die Steine waren gelblich beleuchtet. Wir stiegen aus dem Auto aus und gingen andächtig auf die Mauer zu. Es war das Jaffator. Wir gingen in die Altstadt. Aber wo sollten wir schlafen? Wir fanden ein Kloster, in dem man für wenig Geld übernachten konnte. Als wir dann auf unserem Zimmer waren, las ich in der Bibel. Draussen hatte es zu regnen angefangen und deshalb mussten wir auch eine Unterkunft anmieten. Das hatte sich auf mein Gemüt ausgewirkt. Dazu kam, dass ich aus der Offenbarung las. Da stand: „die Stadt, die geistlich Sodom und Ägypten heißt“! Wie heißt Jerusalem? Ich war schockiert; nebenbei sei erwähnt, dass damals die Taxis in Jerusalem das Autokennzeichen '666' hatten – die Zahl des Antichristen! Aber durch die depressive Stimmung wurde diese Aussage aus der Offenbarung noch unterstrichen. Am nächsten Morgen wollten wir schnell wieder von Jerusalem weg. Wir saßen noch im Innenhof und lasen unsere Bibel. Da kam die amerikanische Baptistengruppe, die wir im Flugzeug trafen, mit Kameras bewaffnet. Sie stürmte in den Innenhof, schossen etliche Fotos mit uns, winkten uns noch schnell zu und verschwand so schnell wie sie kamen.
In dem Kloster waren noch andere Touristen. Einer z.B. erzählte, dass er nicht mehr stirbt, da er 3 Tage tot war.
Ach, mir prägte sich das Bibelwort ein, wo es heißt, dass in „ihren Gemäuern die Schakale und Strauße wohnen“ werden. Für mich war der Mann ein "Unreiner ", wie ein Schakal. Irgendwie ein Verwirrter. Und das in Jerusalem!
Wir trampten schnell weg. Wir wollten jetzt ins warme Gebiet. Es war so kalt, dass ich mir an einer Bushaltestelle  noch eine warme, lange Unterhose anzog.
Wir fuhren nach Askalon. Am Ortseingang von Askalon pflückten die 3, Sarah, Nachtigall und Mahela, Blumen. Mir gefiel das nicht, da ich den Rucksack auf dem Rücken hatte. Man sollte doch die Blumen stehen lassen. Aber nein! Sie wurden gesammelt und gepresst. Doch während die 3 Blumen pflückten, kamen 2 junge Israelis. Wir sprachen sie an und sie luden uns zu sich nach Hause ein. So hatten wir für die nächste Woche eine Unterkunft. Das war auch gut so, denn es war Regenzeit. Von hier konnten wir auch in die nahe gelegene Wüste kommen. Ach, wie still es hier war! Wenn wir uns unterhalten wollten, konnten wir leise und in Entfernung miteinander reden. Das war ein erholsames Erlebnis für die Ohren.
Der eine der zwei jungen Männer, ein Russlandsjude, entschied sich noch für Jesus. Oft bekannte uns der andere, dass er letzte Nacht eine gute Zeit mit dem Teufel gehabt habe: er ging gerne in eine Disko.
 
Wir wollten noch ans Tote Meer. Dort wollten wir fasten. Natürlich wie Jesus in der jüdäischen Wüste. Wir nahmen extra kein Essen mit uns ans Tote Meer. Ein Autofahrer, der wohl im Kibbuz von Ein Gedi arbeitete, nahm uns von Jerusalem mit. Er sagte, dass es hier am Toten Meer nicht regnen würde, obwohl die Wolken ganz schön schwarz waren. Denkste. Kaum standen wir außerhalb des Autos, da fing es an zu regnen. Wir rissen uns die Regenponchos über und warteten bis der Regen aufhörte. Dann bauten wir uns Zelte aus den Ponchos. Und irgendwann bekamen wir einen enormen Hunger. "Kommt Mihd, kommt Bläd" (= kommt Müdigkeit, dann kommt Blödheit, Blödelei). Ja, so war das; wir lachten, weil wir so großen Hunger hatten. Die fromme Fastenzeit verkehrte sich in ein grölendes Gelächter. Zu guter Letzt gingen wir in die Plantagen und aßen grüne Tomaten; es war zu dunkel, um die roten zu finden. Am nächsten Tag nahmen Maranatha und ich unseren Rucksack und gingen in den Kibbutz, um etwas zu essen zu kaufen. Aber wir fanden niemanden, kamen aber in den Speisesaal. Dort standen auf den Tischen Marmelade und Zucker. Wir leerten einige Marmeladegefässe und Zuckerbehälter. Mundraub. Ach, wie wir hungrig waren! Der Weg in den Kibbutz war so sehr beschwerlich, dass die Halskette an Maranathas Hals zu schwer wurde. Er trug noch den Anhänger der Kinder Gottes: ein Joch.
Unser totales Ziel - wegen dem Hunger - war nun Jerusalem. In Jerusalem kamen wir am Fuße des Ölberges an, der gegenüber dem Goldenen Tor liegt, an. Sofort kauften wir uns im arabischen Viertel Brot und Milch. Und dann hatten wir das nächste Problem: wir hatten zu viel gegessen! Nun wollten wir auf den Ölberg zu dem Bibelzentrum von Schlomo Hizak. Der Weg war steil. Sara und Maranatha, Rafael und Nachtigall zogen fleißig den Berg hinauf. Nur Mahela und ich legten uns auf die Straße, die kaum befahren war. Wir konnten einfach nicht mehr. Wir hatten wohl wirklich zu viel gegessen. Da kam ein Auto; wir mussten aufstehen. Sarah rief von oben zu uns: „Kommt doch, ihr Faulen!“ Als das Auto vorüber war, da legten wir uns wieder auf die Straße, der Rucksack als Rückenlehne.
Da kam wieder ein Auto, ein Taxi; wir standen wieder auf und gingen auf die Seite. Sarah gestand später, dass sie dachte, dass uns Gott nun eine Lektion gibt. Das Auto hielt an. Der Fahrer fragte, ob er uns mitnehmen dürfe. Ich sagte, „wenn es nichts kostet, klar!“. Gut, wir durften einsteigen. Hinten saß angeblich der Besitzer des Taxiunternehmens. Er fragte, für wie viele Kamele ich ihm Mahela verkaufen würde. Ich sagte, weil er in englisch fragte und von Camels redete, ich würde nicht rauchen. Echt, ich habe in keiner Weiser an echte Kamele gedacht. Für mich waren Camels Zigaretten. Der Mann muss wohl dumm geguckt haben. Doch wir hatten keine Zeit, da wir nun schon fast bei Sarah und den anderen waren. Ich fragte ganz schnell unseren Taxifahrer, ob er die auch mitnehmen würde. Ja. Aber Sarah wollte erst nicht, da sie es unmöglich fand, dass Gott uns das Auto gab. Sie entschloss sich dann aber doch, nicht auf ihrem Groll sitzen zu bleiben und stieg ein. Nicht wir bekamen eine Lektion, sondern Sarah!
Wir durften eine Nacht in der Kapelle im Bibelzentrum übernachten. Am nächsten Tag gingen wir in die Altstadt und am Abend saßen wir dann an irgendeiner Straßenkreuzung in Jerusalem auf unseren Rucksäcken. Wir warteten irgendwie auf Gott, weil wir nicht wussten, wo wir zum schlafen hin sollten.
Eine Polizeistreife fragte uns, was wir hier machen würden. Wir erklärten, wir würden auf Gott warten; wir benötigten einen Schlafplatz. Sie wollten uns in einen Park schicken, in dem man schlafen könne. Doch wir sagten, wir warten lieber auf Gott. Diese Polizeistreife kam nun des öfteren vorbei und wir saßen immer noch da. Doch dann kam ein junger Israeli und fragte, was wir hier machten. Wir sagten ihm, dass wir auf einen Schlafplatz warten würden. Sofort erklärte er sich bereit, in dem Kloster zu fragen, in dem er wohnte. Er wohnte da, um die hebräische Sprache zu studieren. Er war Beduine und wollte für sein Volk die Bibel übersetzen. Als wir dann von der leitenden Nonne die Erlaubnis bekamen, in dem Kloster zu übernachten, luden wir uns die Rucksäcke auf –  und in dem Moment kam die Polizei wieder. Wir verkündigten ihnen freudestrahlend, dass Gott uns einen Schlafplatz gegeben habe!
Am nächsten Morgen erklärte uns diese Nonne, dass sie selbst überrascht sei, dass sie uns aufnahm. Sie sagte uns noch, dass es ein Kloster gäbe, das in einem Wäldchen läge, das "Maison d'Abraham".
Als wir noch auf dem Ölberg bei Schlomo Hizak übernachteten, da zeigte Gott Rafael, dass er uns ins Wäldchen führen würde. Und nun hörten wir von einem Kloster, das im Wäldchen liegt. Sofort gingen wir hin - und wahrhaftig, wir durften hier eine ganze Woche kostenlos bleiben. Wir mussten nur nach dem Frühstück und Abendessen in der Küche helfen abtrocknen.
Wir hatten hier im Kloster Ruhe und besinnliche Zeit. Auf dem Dach konnte man abends die Altstadt bewundern, die mit all den Lichtern traumhaft aussah.
Hier zeigte mir dann auch Gott, dass Israel zu den Christen gehört, wie Fleisch und Geist zusammen einen ganzen Menschen ausmachen. Dies war für mein Bibelverständnis sehr entscheidend. Denn nun hatte ich nicht nur Israel, oder besser, mich eingeordnet, sondern konnte auch sehen, was Fleisch bedeutet in all seiner religiösen Art, und wie wir Christen Israel unterstützen müssen, bzw. wie Geist sich zum Fleisch verhält. Denn die ganze Zeit in Israel war ich sehr von der Frage umhergetrieben, wie wohl Israel in den Plan Gottes passen würde. Als ich noch in Deutschland war, da war mir Isreal kein Problem. Aber nun, als ich mitten in diesem Volk umherging, da fühlte ich mich fast wie der ältere Sohn aus der Geschichte vom verlorenen Sohn. Missbraucht Gott mich, um Israel zur Eifersucht zu reizen? Habe ich in Gottes Plan nur eine Statistenrolle? Durch die Erkenntnis, dass das Israel 'nach dem Fleisch' das Israel 'nach dem Geist' braucht, wie ein Mensch aus Fleisch erst durch den Geist lebensfähig ist, konnte ich mich und Israel einordnen. So verstand ich dann auch, dass das Neue Testament nicht ein Buch für die Heiden ist, sondern in erster Linie für Juden! Natürlich, weil ich eingepfropft wurde in das Volk der Verheißung, gilt das Neue Testament auch mir. Und doch sprach Jesus nicht nur von und für 'Christen'! Das Gleichnis von den 10 Jungfrauen hatte ich immer auf die Heidenchristen gedeutet: es gab Christen mit Öl und Christen ohne Öl. Doch nun sah ich, dass Jesus von 2 Gruppen redete, die auf ihn warten werden, wenn er wieder kommt: natürlich Israel, die auf den Messias warten und Christen, die auf Jesus, den Messias warten. Die einen haben Öl, den Geist Gottes direkt und die andere Gruppe benötigt die 2 Ölbäume (davon spricht der Prophet Sacharia im Alten Testament), damit sie Öl erhalten, das sind die Krämer, bei denen man Öl kaufen kann. Bei der Hochzeit des Lammes sind sie ausgeschlossen, weil sie zu spät kommen, aber sie haben Öl erhalten! Denn sie kamen zurück. Und sie werden dann durch die 2 Flügel des Adlers (davon lesen wir in der Offenbarung des Johannes) vor dem Zorn des Teufels, des Drachens, verwahrt.
Die Zeit in Israel schien nun abgeschlossen zu sein. Wir planten unsere Rückreise. Doch zuerst fuhren wir nochmals nach Askalon. Und hier las ich in der Offenbarung (Kap. 13), wie das Tier aus dem Meer kommen wird - und ich stand am Meer bei Askalon und stellte mir das so vor; man sieht erst die 10 Diademe, dann die Hörnerspitzen, dann erst die 7 Häupter und dann das gesamte Untier! Das war sehr beeindruckend.
Gott sprach noch zu mir, bevor wir Israel verliessen, anhand vom Galaterbrief, dass ich 14 Jahre später wieder nach Jerusalem kommen würde. Es sprach mich so sehr an, dass ich wusste, Gott habe zu mir geredet (obwohl es natürlich ein Reden Gottes für Paulus war). Hätte ich das die 14 Jahre hindurch geglaubt, dann hätte mein Weg nicht so einer Achterbahn geglichen. Und wirklich: 1988 fuhr ich mit Hildegard und Team das 2. Mal nach Israel.
 
Als wir dann nach 6 Wochen Aufenthalt in Israel zurückflogen, hatte ich Bedenken, ob es in Deutschland nicht zu kalt sei. Hinzu kommt, dass wir nicht wussten, wo wir schlafen könnten. Als wir in Basel ankamen, schien die Sonne sehr schön und warm. Preis sei Gott. Die ersten Nächte schliefen wir auf einer Wiese zwischen Emmendingen und Wasser. Nach der 2. Nacht sprach Gott zu mir, wir sollten bei dem Pastor der Baptisten fragen, ob er uns aufnehmen könne. Wir waren 6 Personen! Rafael und ich gingen hin, um zu fragen. Es war gerade zur Mittagszeit - in der man normalerweise niemanden besucht! Als wir an seiner Haustür klingelten, machte er sofort auf. Er sagte, dass Gott ihm gesagt habe, er solle keinen Mittagsschlaf halten, weil er Besuch bekäme. Und nun waren wir da. Wir fragten, und er sagte sofort zu, dass wir in seiner Wohnung für eine Woche bleiben dürften. Denn er wollte für eine Woche in Urlaub fahren, und dann sei die Wohnung leer. So versorgte uns Gott!!!
Nach dieser Zeit fuhren wir wieder nach Lüdenscheid zu Hiskia in die Loherstrasse.
Wir wollten ein Traktat herstellen. Also schrieben wir ein Traktat und wollten eine Druckerei finden, die es drucken würde. Doch hatten wir dafür kein Geld. An einem Morgen gingen wir in den Park, wo sich die Schüler trafen, um mit den Schülern über Jesus zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit trafen wir einen Drucker- und einen Lithografenlehrling. Der eine konnte die Druckplatte herstellen und der andere konnte drucken. Und der Druckerlehrling war der Sohn eines Druckereibesitzers in Lüdenscheid! Ist Gott nicht gut? Aber es sollte trotzdem etwa 600,-- DM kosten.
Doch auch dafür sorgte sich Gott: Eines Morgens klingelte der Postbote an der Tür. Er hatte ein Einschreiben für uns. Als wir den Umschlag öffneten, wunderten wir uns, weil schöne Bilder drin waren. Bei näherem Hinsehen waren es keine Bilder, sondern schweizer Banknoten: 2000 Franken. Puh. Als wir aus Israel in Basel ankamen, lernten wir einen Studenten aus der FETA (Freie Evangelische Theologische Akademie) kennen, der wohl uns sehr beeindruckend fand. Dieser sandte uns die 2000 Franken, weil Gott es ihm aufs Herz legte. Er wollte sich mit diesem Geld einen Fernseher kaufen, sandte aber uns das Geld - nicht wissend, dass wir es dringend benötigten!
Sofort gingen wir mit dem Geld zur Druckerei und wollten unsere Traktrate abholen. Denn der Drucker wollte sie drucken, und wenn wir zahlen könnten, würden wir sie bekommen. Aber er hatte noch nicht mal angefangen, weil er einfach nicht glaubte, dass uns Gott versorgen würde. Aber mit diesem Geld tat Gott auch dem Druckereibesitzer einen guten Dienst; denn in seiner Verwandtschaft starb jemand und man erwartete, dass er Geld zur Beerdigung gäbe. Aber da er kein 'flüssiges' Geld hatte, stand er irgendwie als geizig da. Und nun konnte er von unserem Geld der Beerdigung etwas beisteuern.
In dieser Zeit hatten wir auch Besuch von einer Kommune, die an Jesus glaubte. Sie wollten uns mal kennen lernen und 'prüfen'. Als sie sahen, dass in meiner Bibel ein Buch mit Namen "Genesis" war und eines mit "Exodus", da wussten sie, dass wir Irrlehrer seien. Maranatha, der selbst so ein 'Freak' war, verstand sich recht gut mit ihnen. Diese Kommune kam von einem Bauernhof (näheres über diese Kommune ist in Walter Heidenreich's Buch "Help, I need somebody" zu lesen).
Hier in Lüdenscheid besuchte uns einmal ein Mann aus Ungarn. Er belehrte uns, dass man alle seine Sünden, die man als Nicht-Christ begangen hatte, einzeln bekennen müsse, um frei zu werden. Irgendwie hatte er unser Vertrauen gewonnen. So schrieben wir alle, jeder einzeln, seine Sünden auf, die ihm so einfielen. Alle Blätter wurden eingesammelt und Maranatha musste sie ihm vorbei bringen. Maranatha berichtete später, dass er die Last förmlich spürte. Ich selbst spürte keine 'Entlastung', als Maranatha so unsere Sünden 'wegtrug'.
Dieser ungarische Christ erklärte auch, dass wenn man nicht immer Heilungs'erfolge' habe, dann ist die Gabe nicht von Gott! Denn ich fragte ihn, weil ich Vertrauen zu ihm hatte, dass ich manchmal für Kranke bete und sie werden gesund und manchmal blieben sie krank. Seine Antwort raubte mir den Mut, im Glauben weiterhin für Kranke zu beten. Es dauerte schon Zeit, bis ich diese blöde Lehre über Bord werfen konnte.
Dieser Christ erklärte uns auch, dass man die Gaben des Heiligen Geistes, wie Zungenrede erhalten müsse. Auch hier tat sich etwas merkwürdiges. Einer in unserer Gemeinschaft hatte kurz darauf in einer Gebetsstunde unter uns ein starkes Erleben, das sogar soweit ging, dass er in die Hose pinkelte. Er behauptete darauf hin, dass er den 'Spätregen' erhalten habe, von dem der ungarische Christ sprach. Diese Episode durch diesen Mann aus Ungarn war bald abgehakt. Denn er brachte mehr Verwirrung als Hilfe.
 
Das Häuschen in der Loherstraße mussten wir Ende '74 verlassen, weil die Gemeinde nicht mehr hinter uns stand, obwohl gerade bei unserer ersten Begegnung der Gemeindeleiter, Traugott, bezeugte, dass er kein großer Prophet sei, aber während wir in ihrem Gottesdienst sangen, hätte er viele, viele Engel mitsingen gehört. Aber wir waren noch zu sehr 'Hippies'. Maranatha z.B. popelte sich während des Abendmahls zwischen den Fußzehen herum.
Wir zogen zu Ehrentalers nach Bochum; Josef wollte 'Urgemeinde' mit uns starten. Unsere Urgemeinde endete so: wir wohnten im Keller und aßen Kartoffeln und er saß oben und hatte Fleisch etc. Auch die Zahnpaste musste dann 'gerecht' geteilt werden. Ende der Urgemeinde: wir hatten bei Ehrentaler's Schulden!
 
 
 
Wir verließen also die Urgemeinde bei Ehrentalers's und fuhren nach Stuttgart, da dort eine Israelkonferenz mit Ludwig Schneider stattfand. Ludwig Schneider beeindruckte mich sehr. Er sah mit seinem Vollbart wie ein echter Jude aus.
Da wir kein Geld für Übernachtung hatten, schliefen wir unter einer Brücke. Als Ludwig Schneider das erfuhr, bezahlte er uns einen Platz in der Jugendherberge. Und zum Abschluss der Tage winkte er mich an seinen großen Mercedes heran (er hatte das Äußere eines 600er Bullman), kurbelte das Fenster runter und sagte in (s)einem coolen Ton: "Ihr seid Pudding!" Das saß! Ich musste mich ja noch zu dem Fenster herab beugen, um ihn besser zu hören - und dann hörte ich dies in dieser demütigen Haltung! Ich glaube, ich ging dann wieder so gebeugt zurück zu den anderen, die in der Tür der Jugendherberge standen, um dem großen Ludwig nach zu winken.
Hier war es auch, dass Rafael und Nachtigall uns verließen. Sie hatten erdgebundenere Wege zu gehen. Das war eine gute und eine schlechte Nachricht. Gut, weil ich dann diesen Choleriker nicht mehr ausstehen musste und schlecht, weil sie doch dazu gehörten und man sich doch irgendwie mochte.
 
 
Wir entschlossen uns, zu Maranathas Eltern nach Neunkirchen bei Siegen zu fahren. Denn die obere Wohnung war leer, wie für uns vorbereitet.
Und da wir nicht mehr 'Pudding' sein wollten, gründeten wir einen Verein. Wir wollten nun endlich 'vernünftig' unser Christsein ausleben. Wir gingen zu einem Rechtsanwalt und er setzte uns eine Satzung auf. Der Name? Wir wählten auf die Schnelle: „Pipeline Gottes“. Ja, gesprochen klang der Name nicht so schlecht. Aber wenn ein Deutscher den Namen las, konnte er auch 'Clementine' lesen - oder noch Schlimmeres! Sofort riefen wir den Rechtsanwalt an, er solle keine Satzung machen, bis wir einen Namen hätten.
Als wir dann endlich einen Namen favorisierten, gingen wir zu einem Rechtsanwalt in der Nähe und dieser stöhnte über uns, weil er sah, dass wir absolut keine Ahnung hatten. Er wollte uns helfen und versprach, seine Arbeit für uns kostenlos zu machen. Paragraph 1, Name: „Der Herr ist mein Hirte e.V.“! Wir fühlten uns super. Nun hatten wir einen Namen und waren eingetragener Verein. Leider benötigten wir diesen Verein gar nicht - da wir keinen Geldverkehr hatten. Wir lebten definitiv von dem, was uns Menschen aktuell gaben. Wir brauchten wirklich kein Spendenkonto und deshalb auch nicht die Mühe eines Vereins, wegen dem wir dann jährlich mit dem Finanzamt zu tun hatten.
Bei Maranatha’s Eltern war es eine schöne Zeit. Sie integrierten uns fast in die Familie. Für uns war die Zeit auch interessant, denn wir wollten weg kommen von 'Pudding'. Einmal musste jeder einen ganzen Tag lang aufschreiben, was er so tat. Uhrzeit und das, was getan wurde. Ich war geschockt, wieviel Leerlauf wir während eines Tages hatten!
Ganz einfach: wir wurden kein Anti-Pudding oder etwas stabileres.
Einmal trampten Sarah und ich von Süddeutschland nach Neunkirchen. Es war Silvester/Neujahr. Die Autobahn war echt wie ausgestorben. Wir wärmten uns bei einer Raststätte auf. Ich las aus der Offenbarung, wie Johannes ein Büchlein verschlucken musste. Im Mund war es süß und im Magen bitter. Interessant war, dass der Engel dieses Geschmackserlebnis so ankündigte, dass er erst vom bitteren Geschmack im Magen sprach und dann vom süßen im Munde; aber als Johannes es aß, da war die Reihenfolge normal: erst süß (im Mund) und dann bitter (im Magen). Mir wurde dabei klar, dass Gottes Reihenfolge immer so ist, dass das Letzte das Beste wird. So konnte ich glauben, dass die Tramptour sehr gut ausgehen wird - egal wie sie nun ins Stocken geriet. Und? Von dieser Raststätte nahm uns ein Mann 'gnädigerweise' mit und fuhr uns, obwohl er nirgends hin wollte, bis vor die Haustür!! Preis sei Gott!
Als der Winter vorüber war, gingen wir wieder auf die Straße. Manchmal 'träumte' ich davon, dass ich auf der Straße öffentlich predigte. Ich hatte dann auch so eine Predigt im Kopf, die in mir abspulte. Doch als ich dann mit dem Team auf der Strasse war, gab es keine innere 'Verpflichtung' mehr dazu. Ach, wie heißt es doch so treffend: „mit dem Sinn diene ich Gott (wenn ich träume), aber mit dem Fleisch der Sünde (wenn ich im Wachzustand handeln muss)“.
Im Siegerland gibt es ja kaum 'Ungläubige'. So lernten wir auch die 'offenen' und 'geschlossenen Brüder' kennen, die sehr stark im wörtlichen Sinn der Bibel anhafteten (wie ich meine), was aber nicht kompatibel mit uns war, obwohl wir ebenfalls die Bibel zu unserer Richtschnur hatten. Wir lernten ganze Kapitel auswendig; jeder, der zu uns kam, musste eine Anzahl (etwa 100) Bibelverse auswendig lernen. Und trotzdem waren wir echt zwei Welten - und hatten doch Freundschaft.
Wir verließen dann irgendwann Neunkirchen und fuhren auf „Mission“. Wir teilten das Team in 2 Gruppen auf; ich fuhr mit Sarah, Mahela und Benjamin nach München und Maranatha mit dem Rest, Michal, Israel und Miriam nach Herford etc. Was ich von der Missionstour von Maranatha noch weiß, sind zwei Dinge: einmal erkannte Israel, dass man Gott gehorchen muss und deshalb wusch er sich erst dann, wenn ihm Gott das auch sagte und das 2., dass Maranatha einem Pastor ebenfalls erklärte, dass er nicht einfach predigen könne in der Gemeinde, wenn Gott ihm nichts gegeben hätte zu sagen. Daraufhin, als dieser Pastor dann am Sonntag vor seiner Gemeinde stand und 'fröhlich' erklärte, dass ihm Gott nichts gegeben hätte, was er ihnen zu sagen habe, wurde ihm gekündigt. Er selbst wurde dann Pharmavertreter. Diese zwei Geschichten aus Maranathas Team hatten mich geärgert und ich meine auch heute noch, dass es eine falsche Richtung war, die dieses Team einschlug. Maranatha war sowieso ein etwas 'harter Brocken'. Er berichtete oft, wie er zum Glauben an Jesus fand. Seine Eltern waren Christen und er war, wie so viele junge Leute, rebellisch gegen alles, was über ihnen warGehorsam einforderte, z.B. auch Gott. So war er in einer Bande, wo man aus den Stiefeln Wein soff. Als er dann den Tag 'X' erlebte, dass Jesus zu ihm kam, da schmiss es ihn auf den Boden. Wie man sich bekehrt, so ist man auch, denn Gott fasst uns so an, wie wir sind. Dieses 'großmaulige' war eigentlich typisch Maranatha. Es gefiel ihm, allen zu erklären, dass wenn ich auf eine Bibelschule ginge, er mit käme, da man uns sowieso bald rausschmeißen würde. Große Töne!
Als wir uns, die zwei Teams, dann im Winter wieder trafen, lehrte ich den gesamten Winter über den Römerbrief, um eine Kurskorrektur zu erreichen. Natürlich auch mit einigen spitzen Kanten.
 
Als wir in diesem Sommer in München waren, wir schliefen im Gebüsch des Parkes, der von den zwei großen Straßen eingerahmt wurde, die am Stachus vorbei führten, half mir Gott, meinen Wunsch zu erfüllen, öffentlich zu predigen. Damit sage ich nicht, dass ich darauf brannte, auf der Strasse zu predigen, aber mein 'innerer Mensch' wollte das gerne, aber der 'äußere' lahmte da etwas hinterher.
Das kam so: an einem Morgen, als wir wieder zum Stachus gingen, Benjamin und ich, erzählte Benjamin, dass er am Morgen gelesen habe, dass man aller Kreatur predigen solle. Ich sagte, dass wir das ja bereits täten. Er erwiderte darauf, dass er damit Gott so verstanden habe, wir sollten öffentlich predigen, laut. Innerlich hatte ich Furcht, aber nach außen reagierte ich, als wäre das ungeistlich, was Benjamin da von sich gab. In dem Moment fiel eine Frau vor uns um, auf den Boden und blieb liegen. Ach nein! Was soll denn das!? Alle Leute strömten herbei und es bildete sich schnell eine große Menschentraube. Jetzt predigen? Unmöglich! Der Krankenwagen kam; das wäre die Gelegenheit! Der Krankenwagen fuhr wieder ab - und ich war erleichtert, dass ich nun nicht mehr predigen müsse. Denn die Leute waren wieder verteilt.
Als wir im Park, wo wir 'wohnten', von unserer Niederlage Sarah und Mahela erzählten, sagten sie, dass wir schlapp seien. Sie würden nun zum Stachus gehen und predigen. Und sie zogen mit der Gitarre los. Nach etwa einer Stunde kamen sie zurück. Ja, sie hatten gesungen und gepredigt. Wie blamabel! Das konnten wir nicht auf uns sitzen lassen. Ebenfalls mit Gitarre bewaffnet, gingen wir wieder zum Stachus. Wir stellten uns in den Torbogen und fingen an zu singen. Ich verbat es mir, darüber nachzudenken, was ich hier gerade mache, bzw. was ich gleich tun werde. Man muss sich das auch bildlich vorstellen: ich bin 1,96 m und Benjamin, wenn er groß war, dann war er gerade mal etwas über 1,60m! Das Lied war zu Ende. Ohne nachzudenken, ich hatte aber klare körperliche Anzeichen von Stress, die ich nicht unterdrücken konnte (trockener Mund, Kloß im Hals, feuchte Hände etc.), machte ich einen Schritt nach vorn und redete sehr laut; was? Ich weiß es heute genauso wenig wie damals. Ich rief einfach nur. Laut. Doch irgendwann gewann auch mein Gehirn seine Regieaufgabe zurück - und es machte Freude, für Jesus hier zu stehen und zu predigen. Stolz und glücklich gingen wir nach getaner Arbeit wieder zu unserem Park. Am nächsten Tag wollte ich sofort wieder zum Stachus.
Als wir wieder mal am Stachus predigten, hörten zwei Engländer zu, die auf dem Weg nach Indien waren. Als wir uns dann mit ihnen unterhielten, gaben sie Jesus ihr Leben. Sie wollten wissen, wie wir leben. Wir nahmen sie mit in den Park und lasen mit ihnen aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 33. Hier steht es: "Trachtet zuerst nach Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit, und alles andere", wie Lebensmittel etc. "wird euch gegeben werden". Wie sollte man das erklären? Aber in diesem Moment kam eine Frau im Park an uns vorbei, blieb bei uns stehen, öffnete ihre Tasche und zog 20 DM heraus und warf sie uns zu und ging weiter! Wir erklärten den Engländern, dass sich dieser Bibelvers aus Matthäus 6, 33 auf diese Weise realisiert. Danke Jesus!
Wir waren nun einige Zeit in München und überlegten uns, was wir weiter tun sollten. Mir wurde klar, dass wir ein Haus suchen sollten, da wir eine Weide brauchten für die Schafe.
Wir gingen an die Autobahnauffahrt Richtung Augsburg. Doch wo in Deutschland sollten wir ein Haus finden? Wir legten fest, dass es entweder bei Freiburg oder aber in der Nähe von Ottmarsheim sein solle, wo wir Freunde hatten und dass wir in die Richtung fahren werden, in die uns das erste Auto mitnähme. Das erste Auto fuhr leider nur ein paar Ausfahrten weiter. Das Auto aber, in dem Sarah und ich fuhren, fuhr bei Stuttgart in Richtung Heilbronn. Wir überholten die beiden anderen im ersten Wagen und sagten, dass wir uns in Ottmarsheim treffen werden. Da lebte eine Christin von den Methodisten. Irgendwie lernten wir sie kennen. Genau an diesem Wochenende war ihr Bruder da; er war zu der Zeit auf der Bibelschule in Adelshofen. Von seiner Schwester erfuhren wir, dass er ein Haus im Ort hatte. Ich sagte ihm, er möge sich doch übers Wochenende überlegen, ob er uns das Haus vermieten würde. Er meinte, dass er in der Schnelle keine Entscheidung treffen könne. Ich machte ihm Mut zu einer Entscheidung - und er entschied sich, den Leuten in dem Haus zu kündigen und uns aufzunehmen. Miete mussten wir keine zahlen, aber die anfallenden Kosten. So schnell hatte Gott uns ein Haus gegeben! Mit großem Garten!
Gegen Ende des Jahres konnten wir einziehen. Die Zeit nutzten wir, indem wir in andere Städte fuhren und missionierten.
Gegen Ende '75 zogen wir mit Farbe und Lampen etc. in Ottmarsheim ein. Eine Familie, bei der wir kurz vor Einzug wohnten und in deren Ort missionierten, fuhr uns nach Ottmarsheim. Sie schenkten uns allerlei wichtige und unwichtige Dinge, die man so braucht, um ein Haus in Besitz zu nehmen. In dem Ort, wo sie wohnten, sprachen wir mit dem Chef einer Fabrik, in der fast das ganze Dorf arbeitete, ob wir in der Pause den Arbeitern von Jesus berichten dürften. Wir bekamen die Kantine und alle Arbeiter wurden aufgefordert, in die Kantine zu kommen, um uns zu hören. Wir sangen und predigten. Das war super.
Nun mussten wir in unserm neuen Haus zuerst mal Heizöl kaufen, damit der Winter kommen konnte! Man bedenke, dass wir den Sommer zuvor bei Ehrentalers gewohnt hatten - und noch Schulden hatten! Doch so wie beim Predigen auf der Straße darf man manche Dinge nicht durchdenken, wenn man nicht in den Unglauben abrutschen will. Gott sorgt für alles!
Als dann beide Teams sich in Ottmarsheim trafen, konnten wir eigentlich kaum das Haus herrichten, weil wir zu viele waren. Doch notdürftig richteten wir uns ein.
Maranathas Team lernte in Herford eine Kommune kennen, die an Jesus glaubte. Sie lud er ein, dass sie uns über den Winter besuchen könnten. Dafür benötigten wir etliche Betten! Gerade in dieser Zeit wurde eine Firma im Nachbarort geschlossen, wo es auch Unterkünfte für die Arbeiter hatte. Wir fragten, ob wir die Betten bekämen. Kein Problem. Wir erhielten etliche Stockbetten mit dem ganzen zusätzlichen, wie Bettwäsche und Bettzeug. Gott ist gut.
Damit das Haus richtig hergerichtet werden konnte, Türen streichen etc., ließen wir Michal alleine im Haus und der Rest ging auf Mission.
Wir bildeten 2er-Gruppen und zogen in die umliegenden Städte. Maranatha und ich gingen nach Heilbronn, Sarah und Miriam nach Bruchsal und so ging jeder in eine Stadt. Wir machten dies aber nicht nur wegen den Renovierungsarbeiten, sondern auch, um ein Zeichen zu setzen, dass wir nicht an dem Haus hingen! Wir wollten keinen Turm zu Babel bauen. Wir wollten für Gott beweglich bleiben. Hinzu kam, dass uns deutlich war, dass wenn man festsitzt, Gott einem nicht so recht lenken kann. Und nebenbei bemerkt brauchten wir noch 'etwas' viel Geld. Denn bei Josef, bei dem wir auf seinen Wunsch hin 'Urgemeinde' mitspielen sollten, hatten wir noch etliche Schulden zu begleichen, und nicht zu vergessen, wir brauchten auch Geld für das Heizöl.
Ich hatte etwas Angst mit Maranatha nach Heilbronn zu fahren. Denn wovon sollten wir solange leben? Und wo sollten wir schlafen? Eigentlich hätte dies für mich kein Problem sein dürfen, aber ich war nun mal so; wir fuhren alle ohne einen Pfennig Geld los. Gott zeigte Maranatha ein Bild, wo Gott seine durchbohrte Hand mit Geld füllte. Das gab mir Mut.
Jedes Team hatte super Erlebnisse zu berichten. Auch für mich und Maranatha sorgte Gott. Wir konnten bei OM (Operation-Mobilisation) übernachten und tagsüber auf der Fußgängerzone missionieren.
Im Winter '75 auf '76 kamen also die Geschwister aus Herford zu unserer 'Freizeit'. Ich sprach über den Römerbrief. Recht stolz war ich darüber, als Israel meine 'Kernaussagen' auf ein Blatt Papier schrieb und sie aufhängte. Zurückblickend muss ich darüber heute schmunzeln.
Auch fragten wir bei einer Schule, nach unserer Gewohnheit, ob wir Unterricht übernehmen könnten. Ein Religionslehrer war der erste in der Klasse, der sich meldete, als wir aufriefen, das Leben Jesus zu übergeben.
Als der neue Sommer kam, da wollten Sarah, Miriam und Michal nach England. Hier ein Ausschnitt ihres Berichtes:
 
„Wir standen am Hafengelände von Ostende, was aussah, wie ein Bahnhof, ein antikes Gebäude, gingen rein und wollten uns Tickets kaufen. Leider reichte unser Geld nicht. Am Ticketschalter stand ein älterer Herr vor uns. Miriam gab ihm in der Warteschlange einen Flyer über Jesus und wir kamen ins Gespräch. Er kam aus den USA. Er fragte uns, ob wir auch nach England rüber fahren würden. Wir antworteten "ja, aber wir wissen noch nicht wie“.
Da erzählte er uns von einem Peter, der ihm vor der Fahrt einen prophetischen Eindruck gab. Er würde eine Begegnung mit drei Menschen vor einem alten antiken Gebäude aus Sandstein haben. Dort würden die drei singen, tanzen und beten.
Als wir dies von ihm hörten, da dachten wir , das wäre der 'Mann von Gott' gesandt, der uns über das Wasser helfen würde. Aber er fuhr und wünschte uns noch alles Gute.
Ein Mann, er war Jude, hatte uns beobachtet und fragte uns, ob wir denn wüssten, wo wir übernachten werden. Er erklärte uns, wie gefährlich es im Hafengebiet sei und dass wir uns da nicht lange aufhalten sollten. Dann ging er mit uns zu einem Hotel, bezahlte ein Zimmer und verließ uns wieder. Wir konnten ihm nur noch „Danke“ sagen. Gott war so gut zu uns.
Am nächsten Morgen schien die Sonne, wir öffneten die Balkontür und da stand die Fähre „Sealink“ wie eine weise Verheißung, welche uns nach England bringen würde.
In unserem Inneren wussten wir, dass uns Gott rüberbringen würde.
Ein Mann fragte Miriam, dem sie von Jesus erzählte: „Was wäre, wenn du nichts zu essen hättest und kein Geld usw.?“ Das war der Fall. Wir hatten jeder einen 10-Mark-Schein, den wir nicht wechseln wollten, weil wir an der Grenze noch Geld vorzeigen mussten. Da hielt ein Auto an, um anscheinend nach dem Weg zu fragen. Als Miriam ihm sagte, dass wir uns nicht auskennen würden, drückte er ihr nur einen Geldschein in die Hand und fuhr weiter. Miriam hatte dem einen bezeugt, dass Gott sorgen würde und alles wüsste und dann kam dieses Auto. Kurz darauf kam noch jemand vorbei und gab Miriam noch ein paar Geldscheine, als sie mit ihm sprechen wollte, war er schon weg! Da dachte sie, das müsse ein Engel gewesen sein.
So konnten wir uns etwas zu essen kaufen und waren der vollen Zuversicht, dass Gott mit uns ist.
Als wir wieder im Hafengebiet waren, beteten wir für eine Überfahrtgelegenheit und ein Lastwagenfahrer sagte uns, dass pro Lastwagen einer von uns mitfahren könnte. So kamen wir gut rüber. Preis sei Gott!"
 
Als Souvenir brachten sie einen 'Apostel' mit, den wir nach kurzer Zeit wieder auf seine Insel schickten.
Der Bruder von Irmgard Stengel, der uns das Haus zur Verfügung stellte, hatte keinen Glauben mehr für uns, dass wir weiterhin in seinem Haus bleiben dürften. Ein Mitgrund war dieser, dass wir am Samstag den Sabbat feierten. Sicher hatten wir noch weitere Eigenarten, die ihm, als gutem 'Evangelikalem', schwer fielen, einzuordnen. So verließen wir Mitte '76 unser Domizil. Es war gerade mal ein Jahr unser Zuhause. Wir bildeten zwei Teams, Maranatha fuhr nach Osnabrück und Remscheid. Dort besuchte ich ihn mit dem Team, das mit mir war, fuhr aber mit dem Team danach nach Walldorf bei Heidelberg zu Elias Eltern; Elia kam in der Zeit von Ottmarsheim zum Glauben. Er war Drogensüchtig. Nachts brachten ihn welche vom Team nach Ottmarsheim, damit er aus seiner Umgebung herauskäme, damit er frei werden könnte. Wie er später erzählte, wußte er nicht wirklich, wie er zu uns kam. Aber als er dann in der Nacht neben dem Bett stand, das wir ihm anboten, da durchfuhr es ihn und er rief: „Ich kann glauben!“.
 
 
Gegen Ende des Sommers trampten wir, mein Team, nach Griechenland, Kreta. Denn es heißt: "Die Inseln warten auf Dich!" 
Die Tramptour war schön, und besonders war es, wie wir uns immer wieder trafen. Treffpunkt war Athen, Piräus. Wir waren insgesamt sechs Leute. Und wir alle trafen uns zur selben Zeit, obwohl die Strecke sehr lang war.
Auf Kreta fanden wir einen Strand, wo sich wohl die Touristik bündelte; es waren in der Regel Individualisten, die hier her kamen. Ein junger Mann aus Deutschland wohnte am Strand in einer Höhle.
Kaum waren wir angekommen, wurden wir von Beamten des Geheimdienstes angesprochen, die hören wollten, warum wir hier her kamen. Missionieren war total verboten. Sie betonten es auch, dass wir Ärger bekämen, wenn wir missionieren würden.
Hier hatte ich auch mein erstes, großes Lebensproblem mit Jesus.
Mir kamen nämlich darüber Zweifel, ob es wirklich Gottes Wille ist, dass ich so lebe. Dazu muss ich gestehen, dass ich mich vor der Abfahrt aus Deutschland innerlich sehr stark aufblähte, dass ich ein guter Christ sei, denn ich habe, um Jesus nachzufolgen, alles 'aufgegeben'. Und nun bekam ich enorme Zweifel, ob mein Lebensstil überhaupt Gottes Wille sei und nötig ist. Morgens war ich dann immer entschlossen, nach Deutschland zurück zu fahren und in einen normalen Beruf einzusteigen. Abends aber war ich fast überzeugt davon, dass ich weiter so leben solle wie bisher.
Es siegte der Gedanke, dass ich 'ganz normal' leben sollte. Ich trug meine Gedanken dem Team vor, dass ich aus dem aussteigen und nach Deutschland gehen würde, um einer geregelten Arbeit nach zu gehen. Für die einen war es ein Sieg der Freiheit in Jesus, für andere ein jämmerliches Versagen. Aber mein Entschluss stand fest. So fuhren wir wieder nach Deutschland, obwohl wir eigentlich von Griechenland in Richtung Indien weiter fahren wollten, um das Evangelium dort zu verkündigen, wo Sarah und ich früher mal ohne Gott herum reisten.
Es war wirklich kein Sieg, sondern ein Abbruch! Ich verkündigte es aber überall und im Team von Maranatha dennoch als Sieg. Obwohl ich heute froh sein kann, dass wir nicht mit dem Team nach Indien fuhren.
Nachdem ich also aus dem gesamten Team ausgestiegen war, hatten wir noch eine gemeinsame Woche in Emmendingen, wo wir Schulunterricht übernommen hatten, um von Jesus zu bezeugen. Diese Woche war zwar anstrengend, aber es war einfach super. Am Ende der Woche sagte ich zu Jesus, dass ich doch lieber ihm weiter nachfolgen wolle. Ich wusste zwar nicht, wie und was nun werden solle. Denn dass ich zurück ins Team gehen würde, konnte ich mir nicht vorstellen.
Wegen diesen Schulwochen kamen wir zu spät nach Walldorf, wo wir uns als ganzes Team treffen wollten, um meinen Ausstieg offiziell durchzuführen. In Walldorf bei Elia wartete schon Josef Ehrentaler mit dem Rest des Teams auf mich. Als wir dann in Walldorf ankamen, da wurde ich fast in die Knie gezwungen: „typisch Tobias! Kommt zu spät, aber hat immer Recht!“ Ich wurde sehr attackiert. Natürlich hätte ich mich entschuldigen sollen; das war damals mir nicht so einfach und schnell möglich, solange ich nicht absolut sicher war, wo nun meine Schuld genau lag. Ich war noch nicht 'bußfertig' genug. Dazu muss ich aber auch sagen, dass mir die Verspätung gar nicht als solch großes Vergehen vorkam, da ich doch in Emmendingen das Evangelium verkündigte! Die Übermacht war so stark, dass ich immer kleiner wurde. Josef war auf Siegeskurs. Denn wie oft lies ich ihn in meinen guten Tagen abblitzen! Einmal gab er mir ein ernstes Wort der Ermahnung, worüber ich lachte. Er war darüber so böse, dass er noch eindringlicher mich ermahnte, dass dies ein Wort des Herrn gewesen sei, worüber ich noch mehr lachen musste. Ich lies in kalt stehen, indem ich ihm sagte, dass wenn es ein Wort des Herrn wäre, könne es doch wohl auch Felsen zerschmettern.
Mit ihm hatte ich so manchen Kampf (besser: er mit mir), denn er war ein sehr ernster Mann und ich war eher oberflächlich und lustig. Nun konnte er mich mit den anderen in Walldorf fast auszählen. Doch da musste ich dringend, wirklich, auf die Toilette. Als ich so auf der Schüssel saß, da betete ich, dass ich Jesus entschieden nachfolgen wollte und dankbar bin, dass ich in Emmendingen noch die Gelegenheit hatte, in der Schule den Kids von Jesus zu erzählen. Mir ging es wirklich nicht um die 'Sünde', dass ich zu spät kam, mir ging es um mein geistliches Comeback in den Dienst für Jesus!
 
Als ich aus dem Team ausstieg, wurde Maranatha 'Gesamtleiter'. Er mündete in die 'Apostolische Kirche, urchristliche Mission' ein, was mir ein Dorn im Auge war. Denn ich meinte, er sei stark genug, selbst eine Arbeit zu tun und er bräuchte nicht in ein gemachtes Nest zu sitzen.
Bei Sabine Jelinek und ihrem damaligen Mann Peter konnten Sarah und ich den Winter über wohnen. Ich gebrauchte diese Zeit mit intensivem Bibelstudium. Denn mir wurde mehr und mehr klar, dass es kein Sieg war, aus dem Team auszutreten, sondern eine Niederlage. Was nicht heißt, dass Gott nicht aus Mist Dünger machen kann. Ich nahm mir deshalb ganz bewusst den Brief des Paulus an die Römer vor. Jeden Tag wollte ich mir einen Vers vornehmen und darüber eine DIN A 4 Seite mit den Gedanken, die ich zu dem jeweiligen Vers bekam, schreiben. Denn ich wollte irgendwie wegkommen von den 'Lieblingstexten', wodurch man schnell glaubt, man hätte den Sinn des Textes verstanden, wenn man in dem Kapitel einen oder mehrere Verse rot unterstrichen sah.
Sabine war so lieb und tippte mir all das, was ich mit Sauklaue zu Papier brachte mit meiner extra dafür gekauften Reiseschreibmaschine, sodass man es besser lesen konnte.
Bei und mit Jelineks wollten wir einen neuen Anfang finden. Ich hatte so die Idee, dass jedes Mitglied einen Kleintransporter haben sollte, in dem er übernachten konnte, also wie eine Schnecke sollte jeder sein kleines Haus dabei haben; dann könnte man überall missionieren. Und jedes Schneckenhaus sollte bei einem Ehepaar, das in der 'Welt' lebt, wohnen, und mit diesen Geschwister eine Wohneinheit bilden. Aber, wie es nun mal mit Ideen ist: sie sind einfach so schwer zu materialisieren.
In diesem Winter kam Annette zu uns, deren Bruder, Israel, schon früher mit uns lebte. Ihren Bruder und sie lernten wir im Schwarzwald kennen, als wir bei Horst Schaffranek waren. Und nun wollte Annette, die den Namen Naphtalie von Gott nahm, zu uns, obwohl ihr Bruder aus dem Team ausgetreten war - er erwartete mit seiner Frau einen Sohn und entschied sich deshalb zu gehen; später gründete er 2 Privatschulen, Grund-, Haupt- und Realschule und schrieb darüber ein Buch ("Wenn Gott spricht: ICH WILL" - ISBN 978-3-86353-691-6). Naphtalie war für mich ein großer Trost, da ich es eigentlich kaum für möglich hielt, dass wir bis zum Sommer ein Team werden könnten, um zu missionieren. Aber im Frühjahr '77 ging alles dann sehr schnell: bei Jelineks konnten wir nicht länger wohnen, Elia und Tabera (sie ist die Schwester von Sabine) kamen zu uns, weil sie es mit Maranatha nicht mehr länger aushalten wollten, und Theodor aus dem Stuttgarter Raum kam, um mit uns einen Sommer lang zu reisen und zu missionieren. Mit ihm fuhr ich auch zuvor nach Rumänien, um Hilfsgüter zu Christen zu bringen.
In der Zeit bei Jelineks kam auch Amos zum Glauben. Er war der Freund von Peter's Schwester und übernachtete mit mir in der Küche auf dem Fußboden, wo er sich auch für Jesus bekehrte.
Als wir von unserem Missionssommer zurückkehrten, kam er und sein Freund Mose zu uns ins Team.
 
Nun waren wir also doch wieder ein stattliches Team für den Sommer.
Mit Elia, Tabera, Naphtalie und Theodor trampten Sarah und ich nach Korsika. Wir trampten in 2-er-Gruppen nach Nizza, um mit der Fähre nach Korsika überzusetzen. Wieder leitete uns der Gedanke, dass die Inseln auf Gott warteten. In Nizza trafen wir Rüdiger aus Kaarst. Er kam in seiner etwas hippieartigen Kleidung auf uns zu und wollte sich uns anschließen, da er Angst hatte, man könne ihn ausrauben, wenn er auf der Überfahrt einschlafen würde. Mit ihm sprach ich dann die ganze Nacht, obwohl ich lieber hätte schlafen wollen. In Calvi (Korsika) trennten sich unsere Wege - wir gingen zu Anton Schulte's Ferienpark und er trampte zu einem wilden Campingplatz. Als wir uns in Calvi von der Reise etwas erholt hatten, trampten wir in südliche Richtung, da wir diesen wilden Campingplatz finden wollten. Hier trafen wir Rüdiger wieder; er saß auf einem Felsen und war hellbegeistert, als er mich am Strand auf sich zukommen sah. Hier saß er auf dem Felsen und lass im Johannesevangelium, das ich ihm bei unserm Abschied mit gab. Nun kam er öfters, eigentlich jeden morgen, zu unserm Zelt. Und nach einigen Tagen übergab er in seinem Zelt nachts sein Leben Jesus. Er wollte nun unbedingt, wenn er nach Hause käme, alle seine Freunde zu Jesus bringen. Wir beteten noch für eine gute Heimfahrt und dass in Nizza sein VW noch stände, den er am Hafen abstellte. Und wirklich, zu Hause brachte er etliche seiner Freunde zu Jesus! Es bildete sich um ihn ein kleines Team, die 'Willicher', da sie in Willich mit Benjamin und Brigitte Wünsch eine Wohngemeinschaft bildeten.
Wir aber fuhren noch weiter, nach Sizilien, denn wir wollten nach Malta, zur nächsten Insel; leider kamen wir nicht auf die Insel, da man uns auf dem Schiff wieder zurück schickte, da wir zu wenig Geld dabei hatten.
Als Sarah und ich in Messina an der Autobahnauffahrt standen, machte ich ein einschneidendes Erlebnis: es war bullenheiß! Sarah und ich wechselten uns mit dem Trampen ab. Einmal stand sie im Schatten und ich unterm Regenschirm und dann ich im Schatten und sie unterm Regenschirm, um zu trampen. Als ich dann mal wieder nach etlicher Zeit dran kam, da hatte ich urplötzlich einen Geschmack in meinem Mund nach süßem Apfelmuss, ja, im Geschmack identisch mit dem, den man im Aldi kaufen kann. Frisch, kühl und süß. Mein erster Gedanke war: „ich will in ein Kaufhaus und kaufen!“. Dabei war mir das Kaufhaus, in das ich gehen wollte, als sehr frisch und kühl im Gefühl. Denn in meiner Vorstellung hatte es eine Klimaanlage. Da zog ein andere Gedanke in meinen Kopf ein: „der Körper will hier nicht mehr stehen; was kann er denn tun, damit er weg kommt, da es ihm zu heiß ist? Er muss in mir eine Motivation bewirken. Das tat er durch den Geschmack in meinem Mund!“
Als ich das registrierte, da entschied ich mich gegen meinen Körper, da ich ja in Messina nicht sterben, sondern schnellstens mit einem Auto weg wollte.
Als mir so diese Gedanken durch den Kopf gingen, da öffnete ein Mann ein Fenster und rief uns zu sich. Vielleicht waren es 20 bis 30 Meter. Sarah ging hin, da ich unterm Regenschirm stand, und erhielt eine große Schale mit frischem Obst darin! Ich war platt! Hatte mir Gott eine Lektion gegeben? Nun verstand ich Römer 6, wo Paulus schreibt, dass die Sünde nicht durch die Begierden des Leibes mich unter ihre Herrschaft bringen soll. Die Begierden meines Leibes sind nicht unbedingt schlecht - aber können ein Köder der Sünde werden!
Später als ich in Deutschland beim Zahnarzt war, wollte ich diese Lektion, die ich lernte, anwenden. Ich sagte dem Zahnarzt, dass ich keine Spritze wolle, denn - so sagte ich mir - zwischen mir und meinem Körper ist ein Unterschied! Als er anfing meinen Backenzahn aufzubohren, da 'beobachtete' ich meinen Körperteil im Mund und lies es nicht zu, dass der Schmerz, den mein Zahn hatte, mich ergriff. Denn nicht mir sollte es weh tun, sondern meinem Zahn, meinem Körper. Es wurde sehr heiß, immer heißer - aber tat nicht weh!!! Ich verstand: ich bin die Seele und habe einen Körper, in dem und durch den ich lebe - aber ich bin nicht der Körper!
Da wir nicht auf Malta aussteigen durften, ging es wieder zurück nach Siracusa. Ich weiß noch, als wir das erste Mal in Siracusa ankamen, als wir noch guten Mutes waren, nach Malta zu kommen! Spät abends kamen Sarah und ich am Strand an und fanden gleich den Rest des Teams. Ich war verschwitzt. Und da dröhnte aus einer Strandkneipe das Lied: „Oh happy day!“ Es trug mich noch lange in guter Stimmung.
Der Sommer verging recht schnell und gegen Ende des Sommers wollten wir einige der Geschwister besuchen, die entweder durch uns zu Jesus fanden oder durch uns wieder neu zu Jesus zurückfanden. Dazu gehörte Rüdig,er der später den Namen Jeremia annahm, und aus Belgien die Familie Volders aus Hasselt und ein junger Mann Namens Albert, der bei Brüssel wohnte.
Als wir von Italien zurück fuhren (von Syrakus fuhren Sarah und ich mit einem Handelsschiff nach Ravenna; es war eine super Zeit! Wir konnten den Matrosen predigen. Der Kapitän hatte uns wohl lieb gewonnen. Er kam extra in Ravenna zu uns an Land, um sich selbst zu verabschieden und zu bedanken), blieben wir in Bern an der Autobahn stecken. Wir standen den ganzen Tag an der selben Stelle! Gegen Nachmittag hielt ein Auto an. Leider fuhr es nicht auf der Autobahn in Richtung Basel, sondern durch das Landesinnere in Richtung Basel. Enttäuscht lies ich den Wagen fahren. Kurz darauf hielt wieder ein Auto an. Ja, er würde in Richtung Basel fahren. Wir stiegen ein. Doch kaum saßen wir im Auto, erklärte uns der Fahrer, dass er nicht auf der Autobahn bliebe, sondern ins Landesinnere führe. Wie das Auto, das ich weiterfahren lies! Ich war sauer. Sauer auf Gott, der uns nicht bewahrte. Der Fahrer fuhr etwa 60 KM bis Basel heran. Aber wenn man Landstrassen zu trampen hatte, waren 60 KM sehr viel!! Während der Fahrt fing der Fahrer an, mir von den schönen Bergen der Schweiz zu erzählen. Ich wurde noch unwilliger, da er mich nun bepredigte. So predigte ich ihm, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Doch lieber ich predige ihm von Jesus anstatt er mir von den Bergen. Wir kamen dann auf seinen Beruf zu sprechen. Er sei Arzt. In dem Moment schnellte Sarah aus dem Hintersitz nach vorn und fragte, ob er wirklich Arzt sei. Denn sie habe gestern Abend gebetet, Gott solle ihr doch einen Arzt geben, da sie eine Krankheit habe. So war das also! Meine Frau betete und deshalb mussten wir in Bern solange warten, und dann auch ins Landesinnere fahren zur Arztpraxis dieses Arztes! Ich war noch stinkiger. Der Arzt gab kostenlose Beratung und Medikamente. Ich war auf dieses Wunder so sauer, dass ich mich mit Sarah nicht freuen konnte. Danach auf der Straße begegnete uns eine Frau, die uns aus heiterem Himmel Obst schenkte. Ich merkte, dass ich mich nun beeilen musste von meinem Zorn los zu lassen.
Bei Volders wurden wir sehr herzlich aufgenommen. Er war Kunstlehrer in Hasselt und war in etwa mit uns eine Wellenlänge, da wir auch noch sehr Hippies waren. Wir hatten eine sehr intensive Gemeinschaft mit ihnen und waren in Zukunft oft mit ihnen zusammen. Sie besuchten uns auch gerne in Deutschland. Jeremia mit seinem Team hatte auch schnell durch uns Kontakt zu Volders; sie fuhren sogar im darauf folgenden Sommer gemeinsam nach Korsika. Sie wollten einen Missionssommer machen.
Bei Albert versorgte mich Gott mit einer super Winterhose. Ich hatte dafür gebetet; ich sagte Gott, ich würde gerne eine schöne Cordhose haben. Als wir nun bei Albert waren, fragte er mich, ob er unsere dreckige Kleider waschen dürfe. Ich sagte ihm, dass ich leider nur eine Hose hätte, und zwar die, welche ich an hatte. Nun lieh er mir eine Hose aus seinem Besitz. Das war eine Cordhose! Als er sah, wie gut sie mir passte, da sagte er, dass seine Mutter sie schon seit einem Jahr verändern wollte und nun lag sie also schon ein Jahr auf dem Kleiderschrank. Er schenkte sie mir; preis sei Gott, der Winter kann kommen! Ich lud ihn ein, er möge uns doch in Deutschland besuchen. Aber wo? Wir hatten noch keine Adresse. Ich sagte ihm, dass wir am 1. November ein Winterquartier hätten. Und so war es auch: Gott öffnete eine Tür, und wir zogen am 1. November ein!!! Preis sei Gott!
 
Über Umwegen hörte ein christl. Landwirt aus Fränking, Wolfgang Schmutz, von uns, der dann einen Bruder, Christoph Scheerer, zu uns sandte. Er traf uns dann auch in Pforzheim an. Wir sollten mit ihm nach Fränking fahren, damit Wolfgang, der Landwirt, uns kennen lernen könne. Wolfgang ist sehr für Mission. Nachdem er uns durchgecheckt hatte, sagte er, wir könnten in seinem Freizeitheim wohnen; keine Miete, kein Geld für Wasser und Strom und Öl. Einfach kostenlos!
Am 1. November zogen wir mit dem Wenigen, was wir in unseren Rucksäcken hatten, nach Fränking. Mit uns zog Amos, den wir vor unserer Korsikatour kennen lernten, und Mose, ein Freund von Amos, nach Fränking. Es war eine schöne Zeit.
In diesem Winter heirateten Miriam und Jethro,. Sie und Jethro waren mit Maranatha in Flensburg. So fuhren wir von München nach Flensburg in einer Nacht mit unserem kleinen Mercedes-Bus. Es sollte auch so etwas wie eine Versöhnung zwischen Maranatha und mir werden; ich war doch gegen ihn, als er in die Gemeinde eintrat. Aber noch bevor die Hochzeit stattfinden konnte, fuhren wir wieder weg, da Maranatha 'erkannte', dass ich vom Teufel sei und man mit mir keinen Kontakt haben sollte.
Einige Monate später, im Frühjahr '78, kamen dann Miriam und Jethro nach Fränking, um mit uns zu leben.
Im selben Winter wohnte Jeremia mit seinen 'Neuen' zusammen in Benjamins Wohnung in Willich. Er war eine starke Führerperson und so mussten wir ihn mal für eine Zeit zu uns nach Fränking holen. Er litt darunter, dass er zwar das verwirklichen wollte, was er bei uns sah, aber es nicht erreichen konnte, weil ich, der 'größere Baum' - wie er sich mal ausdrückte -, ihm das Sonnenlicht wegnähme. Er stand in seiner 'Führerrolle' immer in meinem Schatten. In seiner Gruppe galt doch etwas mehr, was ich lehrte und an Wertmaßstäben weitergab.
Während sie, die 'Willicher', nun mit Volders nach Korsika fuhren, fuhren wir, die 'Fränkinger', kaum war die Sonne wärmer, nach Südspanien, Toremolino; ein Ort, in dem viel Hippiegeschichte geschrieben wurde. Toremolinos, bekannt geworden durch das Buch: „die Kinder von Toremolinos“
Elia und Tabera hatten in Fränking ihr erstes Kind bekommen, Schlomo. Da wir nicht krankenversichert waren, suchten wir eine Hebamme, die eine Hausentbindung durchführt. In einem Krankenhaus, wo wir nachfragten, meinte der Arzt, als er mitbekam, dass Tabera nicht die 'notwendigen' Voruntersuchungen hatte, von welchem Stern sie denn käme. Als wir uns darauf hin entrüstet über diesen Arzt von ihm abwandten, folgte uns eine Krankenschwester, die Tabera eine Adresse zusteckte. Diese Hebamme bestand aber darauf, dass die Entbindung im Krankenhaus durchzuführen sei; sie könne ja danach sofort, wenn es keine Komplikationen gäbe, nach Hause. So brachte Tabera ihren Erstgeborenen in einer Babytasche mit nach Hause und stellte ihn auf den großen Esstisch.
Nun hatten wir ein Kind! Schlome. Diesen Namen hatte schon König Salomon.
Mit ihm fuhren wir dann im Sommeranfang nach Toremolinos. Amos hatte den kleinen Mercedesbus mit Betten 'zugeschweißt' und auch für Schlomo ein Bett an die Decke geschweisst. Der Bus war hoffnungslos überladen. Aber wir kamen nach Toremolinos. Ich weiß noch, wie Jethro und ich Schlomo im Angesicht aller Hotels in Toremolinos auf einer Wiese wickelten. Das war ein echtes Kunststück (was jeder nachvollziehen kann, der sich an sein erstes Mal erinnert, wo er ein Baby zu wickeln hatte).
Es war eine schöne Zeit in Toremolinos, da wir in den Swimmingpools der verschiedenen Hotels uns erfrischten. Einmal kam uns der Hotelwächter hinterher. Leider konnte er die Geschwister aufhalten. Ich hatte, als ich den Hotelwächter im linken Auge bemerkte, einen schnelleren Gang eingelegt und sprang elegant in die Erfrischung.
In Toremolinos gab es eine christliche Gruppe aus Amerika, die missionierte. Als wir uns bei ihnen vorstellten, um mit ihnen zu missionieren, erklärten sie uns, dass dies ihr Gebiet sei! Wir dürften hier nicht missionieren. Oder wer sei unser Apostel?
Wir wollten uns nicht mit ihnen anlegen und so machten wir einen schönen Urlaub.
Auf dem Rückweg ging uns aber leider der Motor des Busses kaputt. Die Ölkontrolleuchte funktionierte schon lange nicht und so kam es, dass der Motor, nachdem wir die ganze Nacht durch gefahren waren, Geräusche wie ein Traktor machte und dann mit einem Schlag stehen blieb. Mir kam das recht, weil ich damit endlich schlafen konnte; denn von der Nachtfahrt war ich doch recht müde.
Amos und Mose versuchten ihr Bestes, aber es ging nichts mehr zu reparieren. Sie waren unsere Mechaniker. Einmal, als es wieder um den Motor ging, fiel dem guten Mose das Schwungrad auf die Hand und schnitt ihm fast den Mittelfinger ab. Als wir Mose ins Krankenhaus brachten, wo auch Schlomo auf die Welt kam, da mussten wir für die Operation nichts bezahlen!
Wir ließen den Bus in Frankreich stehen und trampten weiter. Wie gut, dass wir in Toremolinos einen Amerikaner kennen lernte, der Elia und Tabera mit Sohnemann in seinem Auto mit nahm.
Wir waren irgendwo mitten in Frankreich! Mir mussten auf kleinen Landstrassen trampen, bis wir endlich auf eine Autobahn kamen. Endlich nahm uns ein Auto mit nach Paris hoch. Es war ein MiniCooper! Einer der ersten Baureihe! Seeeehr klein! Aber Sarah und ich hatten mit unseren Rucksäcken hinten Platz genommen, konnten nicht umfallen und hatten eine gute Nachtfahrt. Gegen Morgen kamen wir in Paris an; es war ungewöhnlich still in Paris. Aber nur kurz. Dann setzte der Verkehr ein. Wir kamen dann gut nach Deutschland.
 
Als wir in Deutschland ankamen, war auch schon der Sommer zu Ende. Wo sollten wir wohnen? Da in Ulm ein Rockfestival stattfand, fuhren wir zuerst mal nach Ulm. Dort konnte Elia mit Familie bei einer älteren Frau unterkommen, wo wir dann nach dem Festival alle einziehen konnten. Sie wohnte im Rabenweg; dies erinnerte uns an den Propheten Elia, der von Raben ernährt wurde.
Nun hatten wir große Pläne: Druckerei, Missionsautos, Teams gründen, die in Deutschlands Städten missionieren. Aber es kam alles anders, als gedacht.
Wir konnten uns einen Klein-LKW kaufen (Hanomag) und einen Koffer, den wir auf einem Schrottplatz in Düsseldorf kauften, drauf setzen.
Aber angemeldet hatten wir ihn noch nicht.
Die ältere Glaubensschwester, bei der wir wohnten, war etwas nicht einfach. Der erste große Knall kam, als Jael, die Schwester von Mose, die alten Zeitungen und Zeitschriften aus dem Keller als Sperrmüll an die Straße stellte. Unsere Gastgeberin wollte diese uralten Zeitschriften aufheben. Wer aber konnte das wissen. Gut, man hätte sie fragen müssen - wenn man geahnt hätte, dass jemand alte Zeitungen und Zeitschriften sammelte! Wir wollten im Keller nur Platz schaffen und aufräumen. Als dann noch Jethro mit seinem Team, das gerade aus Korsika zurückkam und ebenfalls kein Winterquartier hatte, zu uns zog, da war es aus! Wir mussten alle ausziehen!
Joel und Rahel mit ihrer Tochter Naomi konnten bei einer Krankenschwester schnell unterkommen. Und als Hannah, ebenfalls eine Krankenschwester davon hörte, wollte sie in ihrem sehr kleinen Schwesternzimmer ebenfalls Platz für Elia, Tabera und Schlomo machen. Der Rest musste sich irgendwie durchschlagen. Einige kamen beim CVJM unter, und der Rest schlief mit mir auf der Pritsche eines LKW's, der irgendwo in Ulm auf einem Parkplatz stand; es war Wochenende und so würde wohl niemand mit dem LKW am nächsten Tag wegfahren.
Wir entschlossen uns, nach Ostfriesland zu fahren. Was wir nicht wussten, war dies, dass der schlimmste Winter, den ich je erlebte, bevor stand: Minus 20°!
Irgendwann in diesen Tagen fuhren etliche nach Ostfriesland; dazu muss man wissen, dass der Hanomag noch nicht angemeldet war! Hinten im Kasten saßen die Geschwister und vorne saßen zwei. Ohne Polizeikontrollen kamen sie in Ostfriesland an. Nach längerer Suche nach einem Haus, denn die Geschwister wohnten im Hanomag auf einem Parkplatz, trampten Joel und Jeremia und wurden von einem Landwirt mitgenommen, der auf Gottes Reden hin sich ins Auto setzte und einfach so losfuhr. Gott sagte ihm, er würde Leute treffen, die er treffen soll. Als die zwei ihm erzählten, dass sie an Jesus glaubten und ein Haus suchten, da wusste der Landwirt, warum ihn Gott in die Nacht hinaus schickte: er hatte zwei Häuser. In dem einen lebte er und in dem anderen wohnte niemand. Es war ein altes Haus mit verschiedenen urtümlichen Einrichtungen; so gab es unter dem Wohnzimmer ein großes Wasserauffangbecken, von dem auch die Dusche gespeist wurde. Auch der Ofen war ein Ungetüm. Einmal, als es so die -20° überstieg, da heizten wir, was hineinging. Aber das war natürlich zu viel. Das Feuer schlug oben aus dem Dach und der Wasserkreislauf stieß Wasser über den Schornstein ins Freie.
Weil das Haus keine eigene Trinkwasserversorgung hatte, mussten wir bei dem Landwirt, der mit seiner Schwester lebte, unser Trinkwasser jeden Morgen in Kanistern holen. Das war Männerjob. Das Brauchwasser kam, wie schon gesagt, aus dem Esszimmer. Unter dem Teppich konnte man die Holzbretter wegräumen, um zu dem Wasserreservoir zu kommen, was wir auch einmal taten. Denn eines Tages lief kein Wasser mehr. Doch Wasser gab es noch eine Menge unterm Boden. Wir zogen den Schlauch heraus und siehe da, hier hing das Problem: eine fette Kröte hing, vom Schlauch angesaugt, fest.
Da dieser Bauernhof in der Nähe der Stadt Norden lag, fragten wir auf dem dortigen Schrottplatz, ob wir bei ihnen unseren Hanomag ausbauen dürften. So waren wir jeden Tag auf dem Schrottplatz, bauten aus und bauten ein. Als mit dem Hanomag der Ausbau seinem Ende zu ging, kauften wir noch einen alten Holzwohnwagen, damit Joel mit Familie und Elia mit Familie darin wohnen könnten. Wir mussten ihn komplett neu streichen und innen restaurieren. Wir bauten im Hanomag und im Holzwohnwagen einen normalen Holzofen ein.
 
Als dann der Winter zu Ende ging, machten wir uns auf den Weg, dem großen Treck.
Zuerst ging es nach Süddeutschland. Aber es war fast unmöglich mit dem Hanomag und dem Holzwohnwagen im Schlepptau irgendwo auf einem normalen Parkplatz zu stehen! Dazu hatten wir noch einen alten (wirklich uralten) Mercedes Kleinbus, den ich unter einer Brücke etwas niedriger drückte. Als die Polizei uns auf einem Parkplatz wegschickte, durften wir bei der kath. Kirche eine Nacht stehen. Über einen Bruder aus Herbolzheim konnten wir bei einem Landwirt vor seinem Bauernhof stehen. Hugo Halblaub, der uns diesen Kontakt vermittelte, hatte einige Hauskreise, die er betreute und zu denen er uns einlud.
Lange konnten wir nicht in Herbolzheim stehen. Was tun? Wir entschlossen uns, nach Portugal zu fahren. Es schien uns der ideale Platz zu sein!
 
Einige von uns fuhren mit dem Holzwohnwagen und dem Hanomagwohnmobil. Wieder andere trampten nach Portugal. Benjamin, Brigitte, Sarah und ich fuhren aber mit Fahrrädern. Wir wollten nicht einfach einen 'Rekord' aufstellen oder ein Abenteuer erleben, sondern mit Benjamin und Brigitte eine Zeit zusammen sein, da Benjamin kurz vorm Ausstieg aus dem Glaubensleben stand. Wir rüsteten die Fahrräder auf, besorgten uns Gebrauchte und hatten nach einiger Vorbereitungszeit gute Drahtesel, mit denen wir die etwa 3.000 KM bewältigen wollten.
Der erste Tag zu Frank Volders in Belgien war so etwas wie eine Einlaufphase. Sarahs Allerwertester tat ihr enorm weh. Es waren aber nur 50 KM, die wir an diesem Tag zurücklegen mussten. Schwerer wurde es, als wir in die Berge von Belgien in Richtung Frankreich kamen. Manchesmal nahm ich Sarah ins Schlepptau. Dabei hatte ich so meine Gedanken, dass im Leben es wohl keine Rolle spielt, was wir erreichen, sondern ob wir dabei geliebt haben. Und es war mit Sicherheit Liebe, dass ich Sarah die belgischen Berge hoch schleppte.
Auf manchen Strecken trennten wir uns von Benjamin und Brigitte, da wir auch per Anhalter fuhren und die Räder dabei auf die LKW-Pritsche warfen oder in den Laderaum eines Kleinbusses, der uns mitnahm.
Jeden Abend hatten wir eine gute Unterkunft. Einmal traf ich in Frankreich den Bürgermeister eines Dorfes, der gerade dabei war die Fensterläden des Rathauses zu schließen. Ich fragte ihn in meinem schlechten Französisch, wo hier der Pastor wohne, den wir nach einer Unterkunft fragen wollten. Der Bürgermeister überlies uns sofort sein Wochenendhaus und versorgte uns noch mit frischen Eiern etc. Am offenen Kamin konnten wir uns super erholen.
Als wir kurz vor Portugal waren, äußerte Benjamin, dass wir ja sehr viel Glück gehabt hätten. Wir erklärten ihm, dass es kein Glück war, sondern Gott, der uns versorgte. Und eben in dieser Nacht mussten wir draußen schlafen, da wir leider niemanden fanden, der uns aufnehmen wollte.
Mit den Beiden war es eine sehr angenehme Zeit. Neben all den geistlichen Gründen, warum es angenehm war, gab es noch diesen: Sarah und ich aßen recht wenig und hatten von unserer Tagesration lange. Aber unsere beiden Mitradler aßen doch gerne und etwas mehr als wir. So kam es, dass wir noch keinen Hunger hatten, aber Benjamin sich dann für Essenholen investierte.
 
Als wir dann nach etwa 3 Wochen in Faro/Quarteira ankamen, hatte die Fahrt auch für meine Kondition natürlich positive Auswirkungen: mit Amos fuhr ich eines Tages in die etwa 15 KM entfernte Stadt Faro. Man muss wissen, dass Amos sehr stark war. Doch schon auf der Fahrt nach Faro hatte Amos seine Probleme mir zu folgen. Als er dann im CowboyStil in die Bank ging, musste ich lachen. Doch die Rückfahrt war dann doch für ihn zu einem Gebetsanliegen eskaliert: er betete, dass Gott mich doch irgendwie bremsen solle. Und das tat Gott auch genau in dem Moment, als Amos verzweifelt betete: vom Gebäckträger fiel meine Jacke runter und ich musste anhalten. Wie glücklich war er über diese Gebetserhörung. Und wie stolz war ich, als ich nun hörte, wie verzweifelt er zum Beter wurde, weil ICH so stark war.
Ganz in der Nähe unseres Camps war eine Quelle, in der die Dorfbewohner ihre Wäsche wuschen und wo man auch baden konnte. Für uns war dies natürlich immer eine Gaudi, wenn wir hinfuhren und etliche dabei auf dem Dach unseres Hanomag saßen. Da konnten wir Wasser schöpfen, Wäsche waschen und uns selbst baden. Lieder von Barry McGuire und SecondChapterOfActs dröhnten dann aus den Lautsprechern des Hanomags.
Wir machten einige missionarische Einsätze in die umliegenden Touristenorte.
Als sich ein ehemaliger Polizist aus Deutschland für Jesus entschied (oder eine neue Entscheidung traf), da wollte er nach Deutschland, um alles in Ordnung zu bringen. Ich entschloss mich, ihn zu begleiten.
Wir trampten, aber wir kamen nur bis Malaga. Dort standen wir vom Abend 17:00 Uhr bis zum nächsten Morgen. So etwa gegen 10:00 Uhr war in mir jeder Entschluss, ihn zu begleiten, wie Schnee in der Sonne geschmolzen. Hatte ich mich einfach nur so dazu entschlossen oder bin ich untreu? Nachdem ich in Hebräer, Kapitel 11 über die Glaubenshelden las, wurde mir klar, dass diese Entscheidung nicht aus Glauben, sondern eher aus Langeweile getroffen wurde. Ich wollte mit ihm trampen, damit ich etwas unternehme.
Der Entschluß, alleine zurück von Malaga nach Quarteira (Portugal) zu trampen kostete vielleicht für mich auch sehr viel Glauben! Ich ging zu Fuß durch Malaga, um an das andere Ende der Stadt zu kommen, wo es nach Sevilla/Granada ging. Endlich stand ich an der Ausfallstraße. Alle paar Minuten rollte eine Welle von Autos heran, in 3er Reihen. Aber nach Stunden wurde mir klar, dass dies nicht der leichtere Weg gewesen ist, für den ich mich entschlossen hatte. Ich stand bis zum Nachmittag an der selben Stelle. Alle Gebetsformen, die ich durchging, halfen mir nichts!
So gegen 16:00 Uhr entschloss ich mich, mit meinen letzten 10 DM (5 Euro) mit dem Zug aus Malaga zu fahren, soweit es eben reicht. Nur weg!
Ich ging über die Straße, um zum Bahnhof zu gehen. Auf dem Weg stöhnte ich so ein kleines Gebet zu Gott, eher nebenbei: „Ich habe Durst!“. Ich traute meinen Augen kaum: vor mir am Straßenrand stand in dem Augenblick eine Flasche mit Milch. Sie war kühl, frisch und voll!
Ich trank die Milch leer und dachte so bei mir, warum Gott die Menge der Gebete nicht erhörte, die ich zu ihm sandte, als ich an der Straße stand und trampte. Da schoß mir ein Gedanken durch den Kopf: „Widersteht dem Teufel und er flieht von euch, nahet euch zu Gott und er wird sich zu euch nahen!“
Ach so, dachte ich mir. Gott und ich sind nicht alleine auf dem Planeten. Es gibt natürlich auch den Teufel.
Ich ging zurück zu meiner Trampstelle und sagte Gott, dass ich nichts zwischen ihm und mir kommen lassen wolle. Egal, wie lange ich noch warten müsse, ich bleibe an Gott hängen, ja, ich nahe mich ihm.
Nun das erstaunliche: kaum stand ich an der Stelle und hielt meine Hand raus, als die Wagenwelle wieder so angerollt kam, hielt das erste Auto an. Ich wurde mitgenommen bis zur Abzweigung Granada/Sevilla. Ich ging ein paar Meter zu Fuß und als ich hinter mir ein Auto hörte, hielt ich wieder meine Hand raus und das Auto hielt an, nahm mich mit. Wieder bei einer Gabelung lies er mich aussteigen, da er nicht nach Sevilla fuhr. Ich war überrascht. Ich dachte, ob ich mich nun schlafen legen solle oder weiter trampen. Ich entschloß mich weiter zu trampen. Und wirklich, ein Autofahrer nahm mich mit bis Sevilla. Leider kam ich erst so gegen 1:00 Uhr nachts in Sevilla an, weil der Fahrer alle seine Verwandtschaft aufsuchte; er stellte mich allen vor. Und Sevilla ist ein gefährliches Pflaster, gerade um diese Uhrzeit!
Schnell ging ich zu Fuß in Richtung Huelva. Am Ausgang der Stadt gab es eine Autobahnauffahrt. Die Autobahn ging bis Huelva.
Ich rollte meinen Schlafsack aus, und legte mich hinein. Im Scheinwerferlicht eines Autos sah ich die Menge der Moskitos! Nein, lieber die Nacht trampen, als so zerstochen werden!
Ich stand wieder auf und trampte. Da kam ein Auto. Es hielt an und nahm mich mit!
In Huelva war es nun so etwa 4:00 Uhr Morgen. Ich entschloss mich die letzten 10 KM zu Fuß zu gehen. Es war eine sehr schöne Wanderung; es ging durch einen Eukalyptuswald. Am Anfang von Huelva stand ein Brunnen, in dem ich mich erfrischen konnte.
Ich sagte aber Gott, dass ich in Portugal nicht trampen wolle.
Als ich dann an der Grenze am frühen Morgen nach der schönen Nachtwanderung ankam, da fragte ich einen Deutschen, ob er mich mit rüber nehmen würde. Die Grenze wurde durch einen Fluß gebildet, den man auf der Fähre überqueren musste. Er nahm mich mit und fuhr mich bis zu der Stelle, an der ich dann runter zum Meer mußte, da wir das Camp in Quarteira hatten. Ich stieg aus und ging gerade über die Straße, da hielt ein Auto an, rief mich, ob ich mit zum Meer wolle. Ich stieg ein und wurde direkt am Camp rausgelassen!
Das war die beste Tramptour, die ich je hatte: fast immer hielt das erste Auto an! Und ich musste in Portugal, wie ich es Gott sagte, nicht trampen.
Ja, wenn wir uns Gott nahen, dann naht er sich uns, aber wir müssen auch den Teufel als Durcheinanderbringer einrechnen! Und nichts zwischen Gott und uns kommen lassen!
 
Gegen Ende des Sommers fuhren wir nach Lissabon, um dort zu überwintern. Wir konnten auf dem Universitätsgelände unseren Fuhrpark aufstellen und auch noch ein kleines Hauszelt, das wir als Essenszelt benützten. In den Räumen der Uni konnten wir uns in die leeren Vorlesungsräume setzen, um jeden Abend uns zum Bibelstudium zu treffen. Vormittags versuchte Benjamin einigen Griechisch beizubringen und ich anderen Hebräisch. Natürlich war das nicht Hochschulreife. Aber es machte sehr viel Spaß.
Jeden Samstag und Sonntag fuhren wir zum Rossio, dem Zentrum von Lissabon, und predigten auf der Straße.
Ein Missionsehepaar, das in Angola für Gott lebte, wohnte in Lissabon, mit denen wir sehr innigen Kontakt hatten. Hier lernte ich wohl meine erste Lektion, dass 'Deutschsein' nicht identisch ist mit 'Christsein'! Denn in der Wohnung dieser lieben Geschwister, die renoviert war, gab es sehr viel Dreck. So konnte man die Dusche nicht benutzen, da sie als Mülldepot diente; an der frisch gestrichenen Wand im Wohnzimmer zog sich ein 40 cm langer, dicker Schimmelstreifen quer hin und die Bananen hätte man viel früher essen sollen. So aber lagen sie in der Obstschale und waren wie kleine Tierchen mit dickem Fell bekleidet. Ich wollte mich sogar ungern auf einen Polsterstuhl setzen, da ich irgendwie die vielen kleinen Tierchen ahnen konnte, die mir dann am Po rumliefen (was natürlich nur Einbildung war!). Ich war so schockiert von den lieben Geschwistern, da ich in Deutschland lernte, dass wenn ich mich bekehrte, wird es auch nach außen sichtbar werden müssen. Und waren diese Menschen nun Christen? Sie zeigten uns Bilder aus Angola, wo sie große Taufen hatten, Chöre gründeten und so weiter. Auch war ihre Art so vertrauensvoll, dass ich fest glauben musste, dass sie bessere Christen waren als ich. Ich musste vor Gott Buße tun, dass ich weniger Christ, aber mehr Deutsch war. Das Vertrauen dieser lieben Menschen durfte Sarah und ich kennen lernen, als wir das erste Mal nach Lissabon kamen: Sarah und ich trampten von Deutschland nach Lissabon, kamen endlich an der Spanisch-Portugisischen Grenze an und fuhren mit dem normalen Bus nach Lissabon. In Lissabon wußten wir aber nicht, wo die Geschwister mit ihrem Fuhrpark standen. Sie gaben uns die Adresse dieser portugiesischen Christen, die in Angola Missionare waren. Wir fragten den jungen Busfahrer, wo die Adresse in Lissabon wäre. Er ging mit uns, das Haus zu suchen. Als wir es fanden, war niemand da. Der Busfahrer rief die Telefonnummer an, die wir hatten und erhielt die Antwort, er möge doch über den Balkon durch das Fenster steigen und die Türe öffnen, sie kämen heute nicht nach Hause. So kam es, dass wir mit dem Busfahrer zusammen in dieser Wohnung übernachteten. Welch ein Vertrauen unserer portugiesischen Geschwister! Am nächsten Morgen kam der Bruder, dem die Wohnung gehörte und führte uns zum Unigelände, zu den Geschwistern.
 
Der Winter war sehr erholsam. Wir hatten mit einigen Geschwistern von Lissabon Gemeinschaft und sie halfen uns bei verschiedenen Formalitäten. Und sie unterstützten uns auch mit Lebensmittel. Ápropo 'Lebensmittel': wir wollten nicht die ganze Zeit für Essen investieren und wollten, dass das Küchenteam auch Zeit zum Bibellesen etc. habe. Also hielt ich ein Plädoyer für Müsli, was auch von allen angenommen wurde. Wie froh waren wir dann, als Jeremia, unser Küchenchef, Feigen auftreiben konnte. Sie hatten zwar Würmer, aber das war uns nicht so wichtig. Schließlich hatten wir schon Haferflocken mit kleinen Käfern oder Larven in Quarteira gegessen! Als ich mal in Deutschland beim Zahnarzt war, las ich die Broschüren über gesunde Zähne und las, dass Zucker sehr ungesund sei. Ich dachte, da ich ja gerade auf dem Weg zum Zahnarztstuhl war, wo ich sicher eine Plombe bekommen werde, wie gut es doch ist, dass man heute, wenn der Zahn Karies bekäme, die Löcher füllen kann! In dem Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf, was wohl Gott sich denkt, wenn ich das Wunder meiner Zähne so gering rechnete. Gott gab mir Zähne, die nicht aus Amalgam bestehen, sondern aus Material, das lebt! Mir taten meine 'post-modernen' Gedanken leid, und ich sagte zu Gott, dass ich keinen Zucker mehr essen will. Das war für uns als Gruppe sehr hilfreich, denn wir verschlangen in einer Woche sicher einen Zentner Zucker! Zucker versüßte etwas unser Leben. Doch das war nun vorbei! Denn ab jetzt war es Sünde, wenn man so gegen den SchöpferGott lebte und Zucker aß! Lange hielt diese heilige Würde nicht an, denn ich las wiederum in der Bibel: „iss Honig mein Sohn!“ Was tun? So fing ich an, das Thema Zucker ausbalancierter anzugehen. Und heute? Heute esse ich auch wieder Schokolade und andere Süßigkeiten - natürlich mit einem Auge auf Gott! Übrigens, man sollte wirklich bei allem zwei Augen haben. Moshe Dajan, der Verteidigungsminister in Israel zur Zeit des '6-Tage-Krieges' (1967) hatte nur ein Auge. Als der große Sieg gegen die arabische Übermacht errungen wurde, lies er sich feiern - ohne ein Auge auf Gott zu werfen und Gott die Ehre zu geben. Der nächste Krieg, der Yom-Kippur-Krieg, war dementsprechend ein voller Reinfall. Wegen dieses Krieges musste Moshe Dajan seinen Stuhl räumen. Also: immer mit zwei Augen leben!
Als das Frühjahr kam (1980), bildeten wir Teams, wobei ein Team nach Spanien ging, eines in Portugal blieb und zwei nach Deutschland fuhren. In diesem Sommer war ich mit meinem Team in Norddeutschland.
 
In Villa Real, wo das Portugalteam über den Sommer blieb - denn da kamen viele Touristen über Spanien an, die man auf Jesus ansprechen konnte - trafen wir uns nach dem Sommer alle wieder, um von da nach Lissabon zum Überwintern zu fahren. Unsere erste gemeinsame Aktion war diese: wir prüften, welche Gegenstände uns Gott während des Sommers gab und welche wir uns selbst kauften, weil wir 'weltlich' wurden. Denn manche hatten das Geld, das man ihnen während der Einsätze im Sommer gab, für dies und jenes ausgegeben, zB. sehr gute und teure Schlafsäcke, super Daunenjacken, Parfums etc. Wieder andere aber sparten das Geld, damit der Winter bezahlt werden konnte. Zu diesen gehörten Sarah und ich und noch andere. Wir empfanden das nicht nur als ungerecht, dass diese sich von dem Geld solch teure und gute Sachen kauften, während sie dann von dem leben wollten, was wir geschenkt bekamen und eben nicht für Dinge ausgaben, die wir natürlich auch gerne gehabt hätten. Wir aber begnügten uns mit einem gebrauchten US-Schlafsack (ohne Isomatte!), mit einfachen Militär-Rucksäcken und so weiter. Deshalb kam nun eine 'Säuberungsaktion'. Je nachdem, auf welcher Seite man stand, verstand man den Grund für diese Aktion - oder auch nicht.
Die Polizei verjagte uns aus dieser Idylle von Rätselraten, was wohl von Gott genehmigt gekauft wurde und was nicht, so dass wir innerhalb von einigen Stunden den Platz räumen mussten. Das nahmen wir dann als Anlass, um nach Lissabon auf zu brechen.
Wir hatten nun schon einen sehr langen Treck, wenn man bedenkt, dass wir den Traktor, den Holzwohnwagen, den Aluminiumwohnwagen und den Hanomag hatten.
Unterwegs brach uns die Deichsel am Aluminiumwohnwagen. Mitten in der Einsamkeit zwischen Faro und Lissabon standen wir in der Stille der Natur. Was tun? Ich hatte Glauben, dass wir die Deichsel einfach mit Schnüren und Hölzern schienen sollten. Als wir dann in Lissabon einfuhren, da brach dieses kleine technische Wunderwerk wieder. Als wir dann nochmals schienten, hielt es, bis wir auf dem Unigelände standen.
 
Nach dem Winter fuhr ich mit meinem Team nach Heidelberg, Amos etc. nach Kanada, da sich in Quatera ein Kanadier für Jesus entschieden hatte.
Ich und mein Team wurden von Christoph Scheerer, der bei der 'Mennonitischen Heimatmission' angestellt war, nach Heidelberg eingeladen. Hier gründeten wir mit ihm und Matthias Warnke eine Gemeinde. Jeden Tag predigten wir auf der Straße. Die Zeit in Heidelberg war natürlich von der Örtlichkeit (Fußgängerzone) her sehr schön, aber die Situation auf der Straße war sehr gespannt. So kam es oft vor, dass wir von Punkern angespuckt wurden und ein stadtbekannter Schläger uns Prügel androhte.
Christoph und Matthias hatten Räume angemietet und sie zu einer Teestube umgestaltet. Einmal kam der Schläger in diese Räume, schlenderte an denen vorüber, die auf Matratzen auf dem Boden saßen und trat plötzlich gegen einen, der auf dem Boden saß.
Christoph aber hatte die Nerven für diesen Menschen. Preis sei Gott. Einmal predigte gerade Christoph auf einem Stuhl stehend und diese Chaoten kamen, nahmen ihn mit samt dem Stuhl und hievten ihn in die Höhe. Christoph predigte einfach weiter. Ein andermal, als Christoph wieder mal predigte, kam gerade dieser Schläger und drohte ihm Schläge an, wenn er nicht aufhören würde, zu predigen. Christoph erwiderte ihm, dass sein Herr Jesus sei und dieser habe ihn gesandt zu predigen. Der Schläger wurde wütend und wollte auf Christoph eindringen. In dem Moment fing es an zu regnen, wie aus Eimern! Danach hatte Christoph bei dem Schläger eine gute Position, da er schon verstand, dass dies Gottes Reden war.
 
Während wir schon im Einsatz in Heidelberg waren, war Elia mit seinem Team noch in Portugal und bereitete sich auf den Sommer mit Gebet vor. Eines Tages, als er in einem Wäldchen zum Beten war, fing er an in Zungen zu reden, was auch in der Bibel im 1. Korintherbrief, in den Kapiteln 12 und 14 beschrieben wird. Für ihn war damit klar, dass Pfingstler biblisch seien. Ach, wie oft habe ich mich gegen diesen Einfluss gewehrt. Ich war gegen Pfingstler, gegen die gefühlige Musik, die im Lobpreis gesungen wurde. Und nun dies! Elia spricht in Zungen! Nebenbei: ich war eigentlich gegen alles, was nicht Gott mir direkt gab und offenbarte.
Elia glaubte, dass wenn er uns darüber schreibt, würde Gott uns dasselbe geben, während wir seinen Brief lesen würden.
 
Es entstand in Heidelberg im Team ein 'Run' auf die Geistesgaben und ein harter Kern, der sich danach ausstreckte: die Schwestern. Sie versammelten sich und beteten, dass sie auch in Zungen beten wollten; wir Brüder diskutierten, ob das nun noch biblisch sei oder nicht. Während wir Brüder also uns über die theologisch problematische Seite dieses Themas unterhielten, erlebten fast alle Schwestern, außer Sarah, die Gabe des Zungenredens. Bei einer Schwester war es sogar so, dass sie, während sie in Zungen sprach, ein Schriftband vor ihren Augen sah, auf dem deutscher Text ablief, der wohl die Übersetzung der Zunge war.
Nun war etwas aufgebrochen! Amos, der mit seinem Team, das nach Kanada fuhr (sie mussten wieder zurück, da sie nicht über die Grenze kamen), mit uns in Heidelberg war, erlebte diese Gabe so, dass er gar nicht anders konnte, er musste reden, was er nicht verstand. Wir trafen uns nun fast den ganzen Tag am Neckarufer und sangen und beteten zu Gott. Auf der einen Seite war es anstrengend, da fast jede Gelegenheit zum Gebet, und wenn es noch so eine kleine Gelegenheit war, sich zu einer echten Mammut-Gebetszeit entwickelte. Zu guter letzt waren nur noch Sarah und ich übrig, die noch nicht in Zungen sprachen. Als ich eines Nachts im Bett lag, gingen mir diese Dinge alle noch einmal durch den Kopf. Ich empfand mich wie Petrus, der auf dem Wasser gehen sollte. Schaffe ich das? Oder bin ich schon zu alt? Fange ich an, Gott ungehorsam zu werden? Ich verstand mich selbst nicht mehr. Ich entschloss mich, am nächsten Morgen, dass wenn Gott will, dass auch ich in Zungen beten solle, dass ich nicht mehr dagegen sein würde, sondern 'loslegen' würde.
Als wir wieder unser morgendliches Meeting am Neckarufer hatten, da sprach jemand ein Wort aus: „Dawar!“ Ich verstand dieses Wort als ein hebräisches Wort, was soviel wie: „rede!“ bedeutet. Die Person, die es aussprach, konnte kein Wörtchen Hebräisch. Was nun? Während ich noch in meinen Gedanken vertieft war, ob Gott mich angesprochen habe, hatte jemand ein Bild in seinem Inneren gesehen: ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gestoßen werden sollte, damit er fliegen lerne. Ich fühlte mich angesprochen und nahm alle meine Gedanken 'unter den Gehorsam' und fing an, egal, was es sein mochte, irgendetwas zu zulassen, was in meinem Mund formbar werden würde. Ich hatte den Eindruck, dass die Silben, die ich bis jetzt aus mir herauspresste, schon etliche Sätze ergeben müssten. Es war schwerfällig. Wie wenn man eine schwere Zunge habe. Doch dann, plötzlich, ging es wie von selbst. Ich, der kleiner Vogel, hatte die ersten Meter im Sturzflug heil überstanden, meine Flügelchen haben sich ausgebreitet und nun schwebte ich. Es war ein Genuss zu reden. Ich wollte gar nicht mehr aufhören.
Da die Nächte immer kürzer wurden, hätte ich eigentlich sehr starkes Kopfweh haben müssen. Denn zuvor fragte ich Gott im Gebet, ob ich meine Brille wegwerfen dürfe. Denn wie ich schon berichtete, war Heidelberg eine schwere Stadt: der Schläger, der ohne Vorwarnung zuschlagen konnte. Was, wenn er mir ins Gesicht schlägt und die Brille zersplittert und mir das Auge zerstört? Als ich die Frage in den Raum stellte, kam auch prompt die Antwort per Prophetie: „tue sie weg.“ Da ich die Brille beim Gebet nicht aufgesetzt hatte, brauchte ich sie nur nicht mehr aufzusetzen. Es kostet ja mehr Glauben, etwas zu tun als etwas zu unterlassen!
Normalerweise hätte ich nun Kopfweh bekommen müssen. Ich hatte eine Hornhautverkrümmung. Aber die Nächte wurden kürzer und ich hatte keine Probleme.
Nach einigen Tagen kam die Weissagung, ich solle die Brille jetzt meinem Glauben gemäß in den Neckar werfen. Aber wenn ich dann doch eine Brille benötigen würde? Das war ja nicht nur eine Brille, sondern auch Geld! Gehorsam ging ich mit dem Team an den Neckar und warf sie weit in den Strom. Das war am Vormittag. Am Nachmittag kamen Kopfschmerzen auf!! Oh nein! Ich nahm meine Hände, legte sie auf meinen Kopf und sagte: „Jesus, du hast diesen Kopf geheilt! Schmerz, du musst gehen!!“ Die Schmerzen verließen mich. Diese Art von Kampf hatte ich noch eine gewisse Zeit lang, aber dann war alles gut. Als ich dann Jahre später mal zu einem Augenarzt ging, fragte ich ihn, wie meine Augen wären. „Gut“, sagte er. „Und die Hornhautverkrümmung?“ fragte ich ihn. Seine Antwort: „Da ist keine Verkrümmung!“ Preis sei Gott!
Die neue Zeit, in der wir viel, sehr viel in Zungen sprachen, sangen, ja, schrieen, nannten wir die 'Rhemazeit'. Diese Zeit hielt an bis Ende des Sommers. Sie nahm dann nämlich immer mehr eine etwas skurrile Form an. Es kamen immer außergewöhnlichere Weissagungen. Wir lebten von diesen Eingebungen.
 
So waren wir in Freiburg auf dem Parkplatz des Messegeländes. Da aber in nächster Zeit eine Ausstellung geplant war, sollten wir weg. Der Oberste des Messegeländes holte die Verantwortlichen zu sich. Das waren Elia und ich. Wir kamen uns vor wie Mose und Aaron beim Pharao. Er stand, als er wusste, dass angeblich uns Gott gesagt habe, wir sollten hier stehen bleiben, was er natürlich nicht glauben konnte, oft in der Tür und beobachtete uns. Als die Polizei kam und uns wegschicken wollte, da fragten wir wieder unser 'Orakel' und hörten, dass Gott uns genau diesen Parkplatz gab. Die Parkplätze waren nummeriert - und wir standen laut Prophetie, genau auf dem richtigen Parkplatz! Wir waren festgebunden. Die Polizei drohte uns an, dass wenn wir nicht innerhalb von einer bestimmten Zeit weg wären, würden wir abgeschleppt werden. Auch vom Gesundheitsamt waren welche dabei. Weil aber unser 'Gott' sagte, wir ständen genau auf dem Parkplatz, den er uns zuordnete, blieben wir stehen. Wir wurden nie weggeschickt!
Da der Sommer zu Ende kam, bereiteten wir uns auf den Winter vor. Auf der Wiese bei der Freiburger Festhalle füllten wir unsere Schlafsäcke mit etwas mehr Daunen auf. Meine Mutter gab mir Geld, damit wir jedem einen guten Schlafsack kaufen konnten, die wir dann noch etwas auffüllten. Die Daunen flogen natürlich auf der Wiese herum.
Wir bekamen eine Adresse in Lüdenscheid, wo wir erstmal unterkommen konnten. Es war ein älteres Ehepaar; er arbeitete bei der Strassenmeisterei, im Winter räumte er Schnee.
Wir waren definitiv eine riesen Belastung für das Ehepaar; die Türen knallten minütlich, Dreck war kaum zu bändigen und alle Zimmer waren belegt.
Als die 'göttliche Eingebung' mehr von uns forderte, wie zB auf dem Wasser gehen - was nicht funktionierte - war ich sehr froh, dass Christoph Scheerer mit uns war. Er war es, der sagte: „Lasst uns hier mal einen Stopp setzen und prüfen, was von Gott und was nicht von Gott ist!“. Eigentlich warteten wir auf diesen erlösenden Stopp. Nun durfte keiner mehr weissagen oder in Zungen reden.
Was war mit uns geschehen? Paulus schrieb an die Korinther, dass sie gerne einen Geist nehmen, den sie bei der Bekehrung nicht empfingen. War es dies? Haben wir Geister angenommen?
Wir brauchten eine 'Rhema-freie-Zeit', wo wir nicht mit diesem heißen Eisen weiter zu leben brauchten.
Wir hatten sogar das Portugalteam mit Joel Kühn nach Deutschland geholt (der darüber sehr froh war, da sie sehr wenig zu essen hatten), damit Gott uns alle gemeinsam gebrauchen könne. In Portugal nahmen wir nochmal Abschied von Lisabon. Das war für mich, wie wenn ich eine Heimat verlöre.
 
Irgendwann, nachdem wir die Geschwister mit Joel aus Portugal abholten, kam der Aufbruch aus Lüdenscheid in Richtung Griechenland.
In Portugal mussten wir die Zelte ganz abbrechen; wir hatten einiges bei einer Familie untergestellt und waren deshalb bei ihnen. Bei ihnen hatte ich ein eindrückliches Erlebnis: Ich saß in einem Bad mit goldenen Wasserhähnen und Marmorbadewanne etc. auf der Toilette und fing an, an meinem Weg mit Gott zu zweifeln: gibt es wirklich den Gott, der mich bis hierher führte oder ist es Einbildung? Irgendwann hatte ich mein Geschäft vollbracht und suchte Klopapier. Aber es gab in diesem Luxusbad kein Klopapier! Also dachte ich daran, wie ich in der Türkei mit Wasser dieses Problem löste. Doch der Griff zum Wasserhahn war vergebens, denn es floss kein Wasser! Goldene Wasserhähne und kein Wasser!!!
Da wurde ich kleinlaut und betete, dass Gott Sarah vorbei schicken solle. Kaum gebetet, rief Sarah an der Tür, ob ich etwas bräuchte. Ich danke Gott und sagte ihr, dass Klopapier meine Not beschrieb. Ich großer Zweifler kam durch Klopapier wieder zu Glauben!
 
Nach der Remazeit, wie vorher beschrieben, war nun absolute Sendepause. Niemand sprach mehr in Zungen, keiner wagte eine Prophetie weiter zu geben. Das war auch gut so. Denn in der Remazeit wurde auch prophezeit, ob jemand einem anderen die Hose geben musste oder wer reden soll oder nicht.
 
Da nun der Winter vor der Tür stand, planten wir, nach Griechenland zu fahren, um dort zu überwintern. Und so fuhren wir im Glauben, dass wir schon einen geeigneten Platz finden würden, los.
 
Einige kleinere Teams trampten nach Griechenland und andere fuhren mit den beiden LKWs, die wir zu Wohnmobilen umbauten. Ich fuhr mit den LKWs – weil ich mich in ein Mädchen aus dem Team verguckte. Da sie mit dem LKW fuhr, wollte ich mit fahren, obwohl ich zum trampen eingeteilt war.
Die Situation spitzte sich zu, bis ich es dem ganzen Team beichtete; ich hatte das Mädchen nie berührt, es war 'nur' der Anfang eines Ehebruches, der nie zu einer Berührung führte. Eines Nachts ging ich mit ihr auf den angrenzenden Hügel unseres Camps in Griechenland und wir sprachen mit einander. In meinen Gedanken stand sehr laut das Bibelwort, dass es gut ist, keine Frau zu berühren. Das rettete mich wohl.
In Griechenland fanden wir ein kleine Bucht in Korinth; in der Bucht stand ein leeres Haus ohne Fenster und Türen und zwei Brunnen. Auch standen auf dem Grundstück, das von 2 Bergrücken eingefasst war, Orangen- und Zitronenbäume.
 
Wir hatten eigentlich eine sehr ruhige und angenehme Winterzeit. Aber es war auch das Ende des gesamten Teams. Wir teilten das Team auf in 3 Gruppen. Denn bisher war man in der Gruppe, weil man für Jesus leben und missionieren wollte Doch nun gab es welche, die gerne in der Gruppe waren, aber nicht missionarisch leben wollten. Das eine Team träumte von Bühnenauftritten mit Musik und Theater und das andere von Kommune auf dem Land, auf einem Bauernhof. Der dritte Teil hatte keine neuen Träume; dazu gehörte ich. Ich wollte nur weiter machen wie bisher.
Amos bekam mit einem Team einen Bauernhof zu bewirtschaften von Wolfgang Schmutz. Da lebten dann alle, die nicht mehr umherziehen wollten.
Als der Winter vorbei war, fuhren wir alle wieder nach Deutschland, die einen zu dem Bauernhof und ich mit dem Rest nach Augsburg – weil Augsburg in der Nähe der Barthelstockschwaige liegt, wo der Bauernhof war. Mein Team betrug dann nur noch 8 Personen! Vorher waren wir 40 mit 10 Kindern!
 
Sarah und ich trampten nach Augsburg und wollten uns mit den anderen in der Fußgängerzone treffen. Als wir so alleine da standen, entschlossen wir uns, schon mal anzufangen. Sarah nahm die Gitarre und ich predigte dann lauf auf der Straße. Bald kamen die anderen. Immer wieder kamen Passanten und fragten wo wir übernachten würden. Bis zum Abend hatte jeder eine Unterkunft! Und so waren wir fast den ganzen Sommer in Augsburg und besuchten ab-und-zu die Geschwister auf der Barthelstockschwaige. Einige kamen auch zu uns nach Augsburg zum Missionieren. Neben dem Bauernhof-Team gab es noch ein Team um Jerry und Benjamin. Sie missionierten mit Gemeinden und am Ende des Sommers wollten sie auch seßhaft werden, um mit Bühnenauftritten die Stadt zu erreichen.
Der Plan war, dass wir alle uns in der Barthelstockschwaige über den Winter treffen und im Sommer Missionseinsätze machen. Aber nun, da Jerry und Benjamin ab dem kommenden Sommer in einer Stadt leben wollten, um Theater-, Pantomime- und Musikvorstellungen auf einer Bühne zu geben, war das Ende des ganzen Teams eingeläutet. Als ich dies in Beisein von Amos äußerte, da wollte er mich mit einem Faussthieb zu Boden schicken; gut, dass er sich beherrschte!
 
Ich denke, es war aber doch eine schöne und erfolgreiche Zeit.
 
Gegen Ende des Sommers gingen wir auf den Bauernhof zu den anderen. Meine Mutter hatte mir Geld gegeben, sodass ich mir einen Kleinbus kaufen konnte; es wurde ein Mercedes 508. Wir bauten ihn auf dem Bauernhof aus.
Meine Mutter gab für den Ausbau noch 10.000 DM – die ich aber an einem Samstag, als wir bei Aldi einkaufen waren, auf der Ablage im Aldi liegen lies. Ich hatte die 10 Scheine in meiner Bibel und diese legte ich auf die Seite, als ich den Karton mit den Lebensmittel füllte und zum Auto trug. Hinzu kam: es war Samstagabend!
Sarah und ich wußten, dass uns Gott das Geld wieder geben wird. Sarah war davon mehr überzeugt als ich. Am Abend ging ein Teil der Gruppe in Donauwörth missionieren und dabei ging Sarah zur Polizei, um nach dem Geld zu fragen, ob es gefunden wurde.
Der Polizist fragte ganz ungläubig, als er hörte wieviel es war, und konnte dann bestätigen, dass das Geld abgegeben wurde. Aber es wurde nur das Geld abgegeben! Nicht meine Bibel! Der ehrliche Finder fand die 10 Scheine auf dem Gehweg! Anscheinend hatte ein Engel Gottes das Geld dem aus der Bibel gezogen, der Bibel und Geld heimlich mitnahm.
 
Als der Mercedes ausgebaut war, fuhren wir in die Schweiz, wo Rebekka im Sommer ein älteres Ehepaar kennen lernte, die uns einluden, über den (Rest-)Winter zu ihnen zu kommen. Das kam uns gelegen. Denn hier hatten wir Gelegenheit, das Wohnmobil fertig auszubauen. In Italien kauften wir einen Dieselgenerator und richteten noch so einiges her.
Dann kam der Sommer. Wir fuhren nach Konstanz; dort trafen wir auf Jethro, der mit Mirjam und Tochter Rahel in einem alten Magirus Deutz ein Zuhause fanden. In Konstanz war er zwar noch nicht angemeldet, aber auf dem Uni-Parkplatz konnten wir stehen. So waren wir 2 Haushalte. Elia musste erst noch den Führerschein machen, dann stieß er zu uns.
Wir hatten zwar noch Kontakt zu den Geschwister in Bendorf (mit Jeremia war dies das eine Team, das sesshaft sein wollte; sie hatten durch Wolfgang Schmutz ein ehemaliges Hotel, den Roten Ochsen, bekommen) und in Reelsen (da wohnte Amos mit dem Team, das auch seßhaft sein wollte und Landwirtschaft betreiben wollte. Amos liebte den Geruch der Erde. Auch hier war Wolfgang Schmutz der Eigentümer.). Aber unsere Wege trennten sich immer mehr. Es war wie in einer Ehe, die sich eine „kleine Auszeit“ nimmt – und dann die Eheleute nicht mehr kompatibel sind und es zur Scheidung kommt.
Als wir im Sommer die Geschwister in Bendorf besuchten, lehrte ich sie, dass „jeder seine eigene Kasse haben sollte“, weil man nichts gemeinschaften kann, was einem nicht gehört. Damit predigte ich den Bruch zu unserem bisherigen Verständnis über die "Urgemeinde" aus der Apostelgeschichte, in der berichtet wird, dass die Gläubiggewordenen alles gemeinsam hatten. Das scheint mir heute ein kleiner Totesstoß für die Geschwister gewesen zu sein, da nun jeder sein Eigenes bei sich haben und weniger teilen wollte.
Wir kamen nun als „Mobile Christen“ mit der Pfingstbewegung BFP zusammen. In Paderborn, wo wir auf der Strasse predigten (in der Nähe war der Bauernhof von Amos und Jona), gab es eine Zeltevangelisation von der dortigen Pfingsgemeinde. Der Gastsprecher war Inglolf Ellssel, der auch manchmal mit uns auf der Strasse mit predigte. Unsere Autos stellten wir dann auf dem Platz ab, wo auch das Zelt stand.
Was uns erstaunte war, dass wir Geld für unsere Unterstützung erhielten! Bisher missionierten wir ohne von einer Gemeinde finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Am 1. November standen wir, mein blauer 508, Jethro's Magirus Deutz und Elia's großer Mercedes 813 auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums, das damals „Wertkauf“ hieß, in Freiburg. An diesem Morgen schneite es und dies zwang uns in den Süden aufzubrechen. Da wir über den Sommer durch Ingolf Ellssel von verschiedenen Gemeinden vom BFP eingeladen wurden und hinterher neben Kost und Logie Geld bekamen, konnten wir sorgenfrei in den Süden aufbrechen.
Über Besancon ging es nach Alicante.
Bei Alicante in den Bergen fanden wir ein altes unbewohntes Haus. Da wollten wir bleiben. Aber nur kurz nachdem wir uns ausgebreitet hatten, kam die Polizei und schickte uns weg. Wir fuhren runter nach Alicante. Kaum in die Stadt gekommen, fuhr vor uns ein Kleinbus mit christlicher Werbung. Wir überholten und hupten und stoppten sie. Wir wurden herzlich begrüßt, als wir uns als Christen vorstellten. Diese Christen gehörten zur AoG, eine amerikanische Pfingstgemeinde. Der Pastor hatte in einem Vorort von Alicante eine Eigentumswohnung von einer schwedischen Christin geerbt, die nun frei stand. Hier konnten wir unser Winterquartier beziehen.
Wir schliefen zwar in unseren Wohnmobilen, aber tagsüber hielten wir uns in der Wohnung auf. Ganz in der Nähe wohnte ein junges Ehepaar mit Sohn, die ebenfalls Christen waren, aber zu einer anderen Pfingsgemeinde gehörten. So hatten wir über den Winter gute Kontakte. Samstags gingen wir dann auf die Märkte und predigten das Evangelium.
Wir wurden auch von einem schwedischen Pastor eingeladen, der in Benidorm seine Gemeinde hatte.
Eines Abends lud er uns in einen Bibelkreis ein, wo wir von unserem Leben Zeugnis ablegen durften. Unsere Wohnmobile stellten wir bei dem Pastor ab und fuhren mit ihm weiter zur Gemeinde. Als wir spät nachts zu unseren Autos kamen, hatte ich den Eindruck, ich solle unter unsere Autos sehen, was ich auch tat. Und da sah ich hinter jedem Reifen, pro Wagen 6 Stück!, einen großen Nagel steil aufgestellt, sodass man, wenn man rückwärts aus dem Parkplatz fuhr, alle Reifen aufgestochen werden!
 
Für den Sommer hatte Ingolf für uns verschiedene Gemeinden kontaktiert, damit wir eine „Tournee“ haben konnten, wo wir dann verschiedene Gemeinden anfahren und in der jeweiligen Stadt missionieren konnten. Wir waren ein bis zwei Wochen bei einer Gemeinde und zogen dann weiter.
Wir wurden immer wieder herzlich aufgenommen und bekamen danach auch Geld.
In einer Gemeinde trafen wir „Christ is the answer“ aus Italien. Dieser Kontakt behielten wir noch lange Zeit und besuchten die Geschwister auch in Italien über den Winter.
 
So ging es einige Jahre. Wir waren gut beschäftigt und konnten gut leben.
Während eines Winters kamen einige Geschwister aus Bendorf und Reelsen nach Spanien uns zu besuchen. Ihr Anliegen war, dass wir mit ihnen wieder zusammen sein sollten. Sie brauchten uns, wie sie sagten. Nun gab es lange Diskussionen. Ich für mein Teil wollte nicht seßhaft werden (ich hatte Angst vor der finanziellen Zukunft, denn ich lernte, dass wenn wir in Bewegung sind, leitet uns Gott und versorgt uns mit allem Nötigen)! Das machte ich auch klar. Aber wie heißt es so treffend: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Und wo kein Wille ist, da sind Argumente!“ Ja, ich wollte nicht und fand Argumente, die mir später leid taten. Ich erklärte, dass ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen könne, wenn wir in einer Stadt eine Gemeinde gründen würden, wo einer der Pastor sein wird und die anderen einem normalen Berufsalltag nachgehen müssten. Jeremia hatte sich auch schon gleich positioniert als der künftige Pastor.
Die Geschwister fuhren nach der Woche wieder zurück, kamen aber nicht weit, weil sie in einen Unfall verstrickt wurden. Ihr Auto hatte Totalschaden. Sie baten mich, dass ich sie nach Deutschland fahren solle.
Mit diesem Winter kam auch das Team „Mobile Christen“ zu Ende. Jethro mit Familie zogen nach Herbolzheim, Elia mit Familie nach Reutlingen.
Ich und meine „Belegschaft“, die mit mir im blauen 508er wohnten, missionierten noch mit Jethro in Lahr und Offenburg. In Lahr entstand eine Gemeinde.
In Offenburg wurde 1990 von der Region in Zusammenarbeit mit der Neulandmission (BFP) einige Wochen mit Jugendlichen missioniert. Peter Wenz war unter anderem, neben Reinhard Bonnke, der Evangelist. Peter Wenz gab mir ein prophetisches Wort weiter: ich solle mir Zeit nehmen, um Gott zu suchen. Ich tat dies, indem ich alleine in den Wald fuhr, während die anderen vom Team weiter in der Pionierarbeit mitarbeiteten.
Als ich Gottes Angesicht suchte, sprach Gott zu mir, dass ich in Gemeindearbeit gehen solle.
Deshalb suchte ich danach mit der neugegründeten Gemeinde in Offenburg den Kontakt zur Zusammenarbeit. Siegfried Bäßler, damaliger Pastor in Offenburg, war sich mit dem Pastor in BadenBaden einig, dass ich und das Team in Offenburg in der Gemeinde auf der 600,-- DM Basis angestellt werden sollten. Siegfried sollte Pastor und Leiter bleiben und ich mit ihm den Predigtdienst teilen. Doch an dem Abend, da die Gemeinde für uns betete, erklärte Siegfried, dass er nicht länger Gemeindeleiter sein wird. Nun entstand eine RushHour: wer wird seine Position übernehmen? Ein junger Glaubensbruder, der gerade mal ein Jahr Christ war, wollte der nächste Gemeindeleiter werden. Ich sagte strikt: „Nein!“ Und nun kam die 'Gemeindepolitik' ins Rollen: Wir wurden als Gefahr für die Gemeinde bewertet. Zu sehr Hippie! Wenig Bürgerlichkeit. Zum Missionieren gut, aber nicht für Gemeindebau.
Das Ende vom Lied war eine Versammlung, zu der niemand, der auf unserer Seite stand, benachrichtigt und eingeladen wurde. Es wurde darüber abgestimmt, ob ich und mein Team länger von der Gemeinde angestellt werden würde. Uns wurde gekündigt.
 
Es wurde gerade Winter und wir lebten immer noch in Herbolzheim mit Jethro zusammen. Jeden Tag rannte ich draußen im Schnee auf den Wiesen herum und beteten. Ich konnte es einfach nicht verstehen, was mit uns geschah! Tagelang war ich wie betäubt.
Als ich so mit hängendem Kopf im Schnee über die Wiesen ging (deshalb sage ich gerne: „Kopf hoch, denn Jesus kommt von oben!“), da sprach Gott zu mir: „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“ Als ich dann meinen Blick von meinem Problem, das ich festhielt, weil ich mich ungerecht behandelt empfand, weg hin auf Gott richtete, sprach er weiter zu mir: „Du hast keinen Grund mir nicht zu danken!“ Das war wie ein Echo in mir. Ich konnte mich in diesem Moment an keinen Grund erinnern, weshalb ich Gott danken sollte.
Offenburg war wie ein Schlag ins Gesicht. Wo war Gott, der stärker als Gemeindepolitik ist?
Als ich aber so eine Zeitlang mit dieser Rede Gottes weiter im Schnee stapfte, fing ich zaghaft an, Gott zu danken. Je mehr ich dankte, desto mehr geistliche Atmosphäre atmete ich ein. Als es mir wieder durch Danken super ging, kam mir der Gedanke, ich solle in Andernach anrufen, wo Artur Kern Gemeindeleiter war. Denn Artur Kern fragte uns, ob wir nicht fest nach Andernach kommen wollten. Wir hatten schon zwei Sommereinsätze in Andernach durchgeführt. Aber Andernach war für uns kein 'verheißenes Land', wo Milch und Honig floss. Die Gemeinde in Andernach war eine sehr alte und traditionelle Gemeinde, wo Kopftuch, Harmonium und Siegesklänge (Gesangsbuch) Maßstäbe der Frömmigkeit setzten.
Als ich dann von meinem Gebetsmarsch zurück kam, klingelte das Telefon. Artur Kern war am Telefon! Er erkundigte sich nach unserem Wohlergehen und als ich ihm sagte, dass Offenburg uns rausgeschmissen habe, da sagte er: „Super, dann kommt doch nach Andernach!“.
Nun fuhr ich öfters nach Andernach, um mit der Gemeindeleitung über Konditionen zu sprechen. Wichtig war mir nun, dass ich der Gemeindeleiter und Pastor in einer Person sei. Ich wollte nicht noch mal erleben, dass der Leiter wie in Offenburg einen Rückzug macht und ich dadurch in der Luft hinge! Die Gemeinde nahm meine Kondition an; auch dass ich nicht über Rocklänge und Siegesklänge diskutieren werde, wurde angenommen. Laut Protokoll gab es Stimmen dafür, dagegen und einige enthielten sich.
1991 wurde ich mit dem Team der 'Mobile Christen' am 21. April in Andernach eingesegnet und am 13. November 1993 zum Pastor ordiniert.
Auf unseren Missionseinsätzen lernten wir in Bramsche eine ältere Dame kennen, die uns bei sich während des Missionseinsatzes beherbergte. Sie liebte Israel und alles, was mit Gott zusammenhängt. Eines Abends, ich stand mit ihr in ihrer Küche, sagte sie plötzlich: "Ich will, dass du mit mir nach Israel fährst!" Als ich dies hörte, da war ich erstmal sehr erstaunt. Ich fing an zu rechnen: ja, es sind 14 Jahre vergangen, seitdem ich in Israel war und wo Gott mir sagte, dass ich 14 Jahre später wieder hierher kommen würde. Ich war darüber sehr berührt über Gottes Treue. Ich sagte ihr, dass wir ja mit dem Wohnmobil fahren könnten und sie mit dem Flugzeug, dann wäre es preislich wohl das gleiche und wir wären in Israel mobil.
Durch sie konnten wir in Ochtendung eine Immobilie erstehen und somit in Andernach die Gemeinde leiten.
 
Wir wurden sehr herzlich aufgenommen; doch einige der festen 'Heiligkeiten' wollte uns nicht so, wie wir waren. Sie glaubten, dass Gott uns gesandt habe, aber nicht als Pastor und Leitung, sondern als Missionierende auf der Strasse. Dazu hätten wir eine Gabe von Gott. War ja auch verständlich, denn ich wollte die Werte, die sie bis jetzt hatten, nicht gesamt übernehmen. Eine Schwester brachte es auf den Punkt. Sie stand während einer der ersten Gemeindeversammlungen auf und rief in die Versammlung: „Erst nimmst Du uns das Liederbuch und dann die Bibel!“
Trotz der harten Konfrontation tat Gott gnädigerweise Menschen zur Gemeinde hinzu. Die Gemeinde wuchs. Wir mussten den kleinen Saal, wo sich etwa 50 Menschen versammeln konnten, verlassen, da er zu klein wurde. Wir bekamen in einer Schule von der Stadt einen Raum zur Verfügung gestellt. Einziger Kostenpunkt war die Versicherung für die Schlüssel. Mehr nicht. Während dieser Zeit konnte die Gemeinde ein Gemeindezentrum bauen. Wir mussten kein Geld aufnehmen, denn Gott sorgte dafür.
Trotzdem entstand eine um sich greifende Unzufriedenheit, die dann in einer Gemeindespaltung Anfang 1997 mündete. Es gingen etwa 25 geschlossen aus der Gemeinde, die gerade mal etwas mehr als 70 Mitglieder hatte! Nun waren wir wieder eine kleine Gemeinde!
Um das Ausmaß zu erfassen, bedenke man, dass ich mit dem Team ja schon 8 Leute ausmachte!
Heute denke ich, dass es zu so einer Spaltung kommen musste. Denn dadurch dass die Gemeindeleitung zwar offiziell Artur und ich inne hatten, aber das Gemeindeleitungsteam fast nur aus meinem Team in Ochtendung gebildet wurde, Sarah, Rebekka, Joraj, konnte schnell der Eindruck entstehen, dass hinter der offiziellen Leitung eine Schattenregierung existierte, die unantastbar ihren Willen durchsetzen würde. Und nun standen also fast 25 Personen aus der Gemeinde auf, die davon ausging, dass die Gemeinde gerettet werden müsse!
Gott sei Dank war in dieser Zeit unser neues Gemeindezentrum fertiggestellt. Und zur Ehre Gottes muss man erwähnen, dass durch den Crash die finanzielle Lage stabil blieb!
In dieser Situation schrieb ich den Ausspruch: "Nie wieder Massada!", den man in Israel gerne anwendet, auf meine Fahne.
Massada ist ein Felsmassiv am Toten Mer in Israel, auf dem sich Juden gegen die Römer verschanzten. Als Massada dann doch fiel, da war die Zerstreuung der Juden in die ganze Welt fest beschlossen und unwiderbringlich. Darin gab es natürlich keine Ähnlichkeit mit der Gemeindesituation. Aber die Ähnlichkeit liegt in dem Entschluss bei den Juden, als sie den Staat Israel gründeten. Sie sagten: „Nie wieder Massada!“ Für mich hieß es dann: „nie wieder Gemeindespaltung!“. Aber das hat man weniger in der Hand. Oft führt es zu Spaltung, weil einige sich ungerecht behandelt fühlen oder weil das Angebot nicht befriedigend ist oder wirklich, weil Fehler in der Leitung geschehen.
 
Der Wurm liegt in der Sache: eine Gemeinde ist eine Verbindung von Menschen, die wegen Jesus zusammen gehören. Anders als bei einem Taubenzuchtverein, wo es für deren Mitglieder verschiedene gemeinsame Punkte gibt, sind Mitglieder einer Gemeinde nur wegen des gemeinsamen Glaubens an Jesus zusammen. Hier kann man dann Ziele stecken, die dem ganzen dann auch eine 'Beschäftigung' verleiht. Wenn aber eine Beschäftigung existiert, dann auch eine Auf-Teilung, die Unterschiede postuliert. Es wird dann einen geben, der leitet und andere die folgen. Leider gibt es aber keine 'natürliche Autorität', wie Stärke oder Abstammung. Es ist eine künstliche, eingesetzte Autorität: der Pastor weiß, wohin es gehen soll. Die, welche folgen, sind vielleicht klüger, schneller, leistungsfähiger oder erleben Zeichen und Wunder in ihrem Glaubensleben (oder meinen dies von sich), oder managen Aufgaben geschickter als der Pastor. Und schon, da niemand wirklich vom Pastor abhängig ist, entsteht im Wasserglas ein Sturm. Die Gemeindespaltung entsteht und kann bis zur Feindschaft eskalieren. Und wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern gibt, dann sieht auch jeder seinen Massstab als der richtige an und ein Messen und Schlagen beginnt. Und das alles, weil das Ziel der Gemeinschaft sich verschiebt: von der Gnade weg zu Werken.
Selbstverständlich gibt es in einer Gruppe Unterschiede. Der eine kann das, was der andere nicht kann und umgekehrt. Es sollte zur Ergänzung führen. Aber dann gibt die Sache, der Grund für die Zusammenkunft, den Ton an und nicht ein Mensch, der zur Zusammenkunft gehört.
 
Nach dieser Gemeindespaltung wurde es recht mühsam.
 
Und im Mai, 2008, wurde mein Dienstverhältnis aufgelöst, weil ich Ehebruch beging.
Hier holte mich meine Vergangenheit ein. Ich und Sarah pflegten nicht unsere Ehebeziehung, sondern lebten für die Gemeindearbeit und anderen frommen Zielen.
 
Bis jetzt saß ich sehr sicher im Sattel und hoch zu Roß.
Ich glaubte alles, was evangelikal zu glauben ist. Und ich predigte von Jesus und der Entscheidungspflicht für ihn.
Alles ging gut.
Durch die Einbindung in das Team und auch durch die Gemeinde, in der ich als Pastor lebte und diente, lebte ich wie in einem Elfenbeinturm.
 
Zwar merkte ich, dass der ganze Dienst immer mehr zähfliessender wurde, hauptsächlich nach der Gemeindespaltung.
Es gab zwar immer wieder mal so etwas wie eine Aufbruchstimmung, aber es ging immer schwerfälliger. Erst der große Crash, den ich 'Massada' nannte, dann die vielen kleineren Unzufriedenheiten, die wie Sand im Getriebe sich bemerkbar machten und dann auch noch der Tod meiner Mutter.
Zu meiner Mutter hatte ich nicht wirklich eine innige Beziehung, die man Liebe nennen könnte. Aber sie war die Stütze in meinem Leben. Immer war sie 'griffbereit'. Egal ob ich im Kinderheim oder Internat war. Egal ob ich in der Lehre war oder auf einer Schule. Immer war sie da und gab mir Halt.
Nun starb sie.
Bis dahin hatte sich mein Christsein damit gerechtfertigt, dass ich nicht zu dieser Erde gehöre, sondern zum Himmel und hier wie ein Botschafter lebte, ja, sogar wie ein Untergrundkämpfer.
Diese Sonderstellung wurde dann durch den Pastorendienst immer mehr verwischt. Denn nun, als Pastor, war ich eingereiht zwischen den anderen Kirchen, von denen ich mich bis dahin abgrenzen konnte. Aber nun war die Kirche, in der ich Pastor war, neben den vielen Kirchen am Ort nur eine von vielen. Es gab auch die Allianz der Kirchen, in der ich Mitglied war.
Der Grund meiner Erdenbürgerschaft lag nun nicht mehr darin, den vielen Menschen zu sagen, dass sie durch die Botschaft, die ich verkündigte, gerettet werden. Denn nun musste ich die Botschafter der anderen Kirchen ebenfalls akzeptieren.
Meine Daseinsberechtigung lag nun darin, in diesem großen Spiel etwas besser zu sein, um die eigene Kirche wachsen zu sehen.
Und auch dies war angelehnt an meine Mutter: Sie war stolz auf mich.
 
Nun klopfte ein neues Mitglied der Kirche an mein Leben: eine Frau fand mich attraktiv. Sie besuchte auch meine Mutter im Altenheim, vielleicht um mit mir mehr zusammen zu kommen. Auch schrieb sie manchmal eine SMS, in der sie sich bei mir und Sarah bedankte, dass sie so aufgenommen ist und wünschte uns dabei einen schönen Tag.
Dies überraschte mich zwar, aber ich kam nicht in gefährliches Wasser.
Aber dann starb 2004 meine Mutter. Und diese Frau ging auf meinen Wunsch hin zu meiner Mutter ins Krankenhaus, als diese im Sterben lag, denn ich war gerade in dieser Zeit etwa 300 KM weg.
 
Heute meine ich, dass ich nun, in dieser Zeit, überwechselte: von meiner Mutter zu dieser Frau.
Und wie es sicher immer abläuft: Ich kam mit dieser Frau zusammen. Ein Doppelleben entstand. Ein Lügenleben. Auf der einen Seite war ich Pastor und auf der anderen Seite trank ich von verbotenem Wasser.
Als dies dann, endlich, aufflog, war mein Dienst als Pastor beendet.
Nun erwartete ich die Strafe Gottes! Ich stellte mir vor, dass ich nun einsam und verlassen irgendwie und irgendwo mein Leben fristen werde. Beruflich hatte ich ja keine Möglichkeiten, da ich keinen Beruf, mit dem ich Geld verdienen konnte, hatte.
Aber ganz im Gegenteil: Als ich aus der Lebensgemeinschaft raus geschmissen wurde, fand ich eine Wohnung, bekam 2 Jahre Arbeitslosengeld und konnte mir von dem Erbe meiner Mutter ein kleines Haus kaufen. Und am Ende wurde mir vom Arbeitsamt eine Ausbildung als Betreuer für demenziell erkrankte Menschen bezahlt. Auch fand ich eine Anstellung und konnte in diesem Dienst Menschen 'berühren', ihnen Halt geben, in ihrer Orientierungslosigkeit Gegenwart schenken. Und auch mir half es: es gab nun keinen echten Massstab für 'Gut' oder 'Böse', denn ein Mensch, der an Demenz leidet, ist nicht gut oder böse!
 
Typisch Gnade! Nicht verdient, aber erhalten. Und was ich verdiente, blieb aus.
Was ich erwartete, traf nicht ein.
 
Als ich noch gut im Sattel saß, da hatte ich folgendes Erlebnis:
Mein Drucker funktionierte nicht. Ich fragte Freunde, die sich bei PC's auskannten. Aber keiner konnte mir helfen. Irgendwann gab ich auf, schaltete den Computer ab und machte einen Spaziergang. Ich war gereizt, ärgerlich und wollte mit dem Leben Schluss machen.
Ich betete: „Gott, hol mich zu dir! Ich will nicht mehr leben!“
Die Antwort kam: „Ich kann dich holen, aber dann bist du bei mir!“
Ich sagte: „Das will ich doch!“
Gott erwiderte: „Aber dann bin ich nicht bei dir!“
Ich überlegte, denn diese Aussage hätte ich nicht erwartet.
Da verstand ich, dass wenn ich bei Gott bin, dann dreht sich alles um Gott, man ist bei ihm! Hier auf Erden kann Gott bei mir sein. Es ist wie bei einem Vater, der seinen Sohn auf dem Schulhof antrifft. Er sagt zu seinem Freund: „Sieh hier, das ist mein Sohn!“ - obwohl sich sein Sohn vielleicht gerade prügelt, so ist der Vater doch stolz auf ihn. So auch Gott. Er ist bei mir, in meiner Welt, bei meinen Sorgen, bei meinen Entscheidungen. Er will durch meine Augen die Welt sehen, meine Welt. Seine kennt er!
Als ich dies verstand, ging ich wieder zu meinem Computer und nahm Gott mit in meine Welt, zu mir.
Ich schaltete den Computer ein und sagte zu Gott: „Nun sitzen wir beide hier. Hilf mir.“
Kaum hatte ich mich vor den Computer gesetzt, mit Gott, da kam mir der Gedanke, dass ich den Stecker des Druckerkabels öffnen solle. Niemals hätte ich daran gedacht!
Da sah ich das Unglück: die Alufolie, die um das Kabel gewickelt ist, berührte mehrere PIN's des Steckers. Ich schnitt die Alufolie vorne ab, schraubte den Stecker wieder zusammen und steckte ihn ein.
Und? Der Drucker tat, was er sollte!
Ja, Gott ist in meinem Leben. Und obwohl er Ehebruch hasst, liebt er mich mehr als seine Werte. Und damit er mich lieben kann, obwohl ich sündige, starb Jesus für mich.
So dient mir Jesus und ist mein Herr.
 
Als ich dann wegen dem Ehebruch am Rand meines Chaos stand, da dachte ich an die Geschichte mit dem Drucker. Ich erkannte, dass ich sehr schnell sterben will, sobald ein Problem(chen) auftauchte. So konnte ich das neue Problem mit anderen Augen sehen: Es gibt keine Fluchtmöglichkeit, ich muss durch! Der einzige Weg heraus führt hindurch! So sagte ich Gott, dass ich mit ihm in diesen neuen Lebensabschnitt gehen will. Ich glaube, ich hätte dies, was dann alles auf mich zukam, ohne die Gewissheit Gottes in mir zu haben, zu glauben, nicht so gut überstanden. Denn über Nacht war ich von allem getrennt, von Freunden (weil diese zur Kirche gehörten), von der finanziellen Sicherheit und dem Team und Ehe. Zum ersten Mal erlebte ich die 'normale Welt' und hatte Teil an den 'normalen Problemen', die fast jeder hat, der für sein Essen und seine Kleidung arbeiten muss.
 
Aus heutiger Sicht bin ich froh, dass ich diesen neuen Lebensabschnitt habe. Nicht freue ich mich über meinen Ehebruch. Ich hätte es lieber, dass ich ohne Ehebruch, mit Sarah, dieses 'andere Leben', private Leben kennen gelernt hätte.
Was ist anders? Früher berichtete ich immer in der 'WIR'-Form: wir haben dies und jenes getan, erlebt. Heute spreche ich von mir: Ich war da und tat dies und jenes.
Natürlich ist es wichtig andere Menschen als Ergänzung zu haben, aber ohne dass ich alleine sein kann, wird die Gemeinschaft schnell zum Gefängnis und zum Betrug.
Sarah, 3. von links vor dem Missionszelt
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