ins Hippie-Paradies, hin und zurück Teil 2
Indien war eine Erfahrung! Heute würde mich nichts mehr dahin ziehen! Aber diese Erfahrung musste sein. Denn "warum in die Ferne schweifen...!" Ja, das Gute liegt so nah: nicht oben oder unten, sondern es kann in uns sein - wenn wir Gott Raum geben.
Alle Religionen haben eine 'nicht beweisbare Voraussetzung', der man glauben muss und dann muss man den Regeln folgen. Bei Jesus ist es nicht so: da lernt man ihn erst kennen und dann folgt man IHM.
mein Waterloo
IN PAKISTAN
Wir starteten sozusagen vom Ende der Welt. 10.000 KM bis Deutschland. Da wir unser letztes Geld, 50 Euro, aufheben wollten, um eventuell ab Istanbul mit dem Zug zu fahren,  mussten wir auch am Essen sparen. In dieser Situation wanderten meine Gedanken oft nach Hause zu meiner Mutter und kreisten um das Abendbrot. Da stand Tee, Brot und Käse auf dem Tisch. Ja, darauf hätte ich mich gefreut!
Ein letzter Sonnenuntergang an unserem Strand. In Goa hatten wir jeden Abend dieses grandiose Naturschauspiel beobachtet. Der Himmel präsentierte dabei alle Farben. Das Rot veränderte sich dabei bis hin zu einem Grün. Das wollten alle sehen. Eine indische Reisegruppe musste erst lernen, wie man sich als Tourist benimmt. Sie schauten uns zu, wie wir Westler im Wasser herumtollten und nach kurzer Zeit hatten sie es übernommen. Nun waren auch sie echte Touristen geworden.
 
Von Goa mussten wir die ersten Kilometer zu Fuß gehen. Wir erreichtene ein schöne Lichtung, von der man noch mal einen letzten Blick auf "unseren" Strand werfen konnte. Der weiße Strand, das blaue Meer, die grünen Palmenwälder, die Häuschen auf den grünen Wiesen und die Felder. Ein schwermütiger Abschied.
Dann das Unfassbare:
Eine Stimme sprach zu Sarah: „JESUS IST DER SOHN GOTTES!"
 
Ich hatte kein Wort gesprochen und außer uns war niemand in der Nähe.
Das traf mitten ins Herz.
Nicht Buddha, Krishna oder der Prophet Mohammed, sondern einzig JESUS...allein!
Ich selbst hatte keinen Ton gehört, aber es hatte Sarah bis ins Mark getroffen und verändert. Es war in ihr wie ein Echo. Immer wieder: "Jesus ist der Sohn Gottes!"
Sarah glaubte nicht an Gott - bis sie diese Stimme hörte! Ihr Vater hatte nichts mit der Kirche zu tun. Er fragte sich immer, wenn wir auf das Thema kamen, wo denn die vielen Leute wären, wenn es einen Himmel gäbe. Auch erzählte er immer wieder diesen Witz, dass er in die Kirche ging und der Priester dann betete: "Hl. Antonius", worauf die Kirchengemeinde dann antwortete: "nichts für uns!" (was heißen sollte: "bitt für uns!"). Als ihr Vater dann kurz vor seinem Tod eine Herzoperation bekam, fand er zu Jesus, da Jesus ihm während der OP erschien.
  
Nun war es nicht nur ein Abschied von Indien, sondern auch von den fernöstlichen Philosophien, die sich in den Religionen verbargen.
Gott hatte Sarah in einem Augenblick in eine völlig neue Lebensrichung geschickt.
 
Irgendwann las uns ein Lkw auf. Wir saßen auf einer harten Holzbank und fuhren über holprige Straßen. So waren wir erleichtert, als wir nach relativ kurzer Fahrt aussteigen durften. Der nächste Lkw war wenigstens gepolstert und fuhr nach Bombay.
Die beiden Fahrer teilten alles mit uns. Fahren, Kochen, Essen und Waschen. Als wir den Wunsch äußerten, ein Stück zu Fuß durch den Urwald zu gehen, warnten sie uns vor Tigern und anderen gefährlichen, wilden Tieren. Vom Lkw aus bekamen wir jedoch nur Herden von großen Affen zu sehen, die sich von den Bäumen auf die Straße schwangen und mit einem Satz wieder verschwanden.
Kurz vor Bombay übernachteten wir auf einem Lkw-Parkplatz, auf dem unsere Fahrer uns raus liesen. Wir rollten unsere Bastmatten aus und legten uns hin. Echter Hunger quälte uns. Überraschend kam einer der Fahrer mit einem Teller Suppe und etwa 10 Fladenbrote zu uns und versorgte uns damit. Wir waren sehr überrascht und dankbar. Dieser Dank richtete sich aber auch schon konkret an Gott.
Am nächsten Morgen setzten uns die Fahrer am Bahnhof vor Bombay ab. Zu unserer weiteren Überraschung bezahlte ein Fremder die Tickets für den Zug.
Die Türen des Zugs öffneten sich automatisch, aber der Zug war voll. Ausgeschlossen, hier noch einen Platz zu finden. Wir wollten auf den nächsten Zug warten, wurden aber von dem Mann, der uns die Tickets bezahlte, zur Zugtür dirigiert und hineingeschoben. Irgendwie passten wir doch hinein und standen dicht an dicht gedrängt im Abteil. Umfallen konnten wir jedenfalls nicht. Es war ein Erlebnis, wie ich so dastand und alle anderen um ein bis zwei Köpfe überragte. Sarahs Nase war voll im Mief, da sie kleiner ist als ich.
In Bombay suchten wir die Deutsche Botschaft auf, in der Hoffnung, ein Flugticket zu erhalten. Aber man hatte kein Vertrauen zu Hippies. Es gab weder Geld, noch ein Flugticket.
Zurück am Bahnhof standen wir am Schalter, um wenigstens bis Delhi mit dem Zug fahren zu können. Als wir an der Reihe waren, drängte sich ein Mann vor und ich wollte einem ersten Impuls folgend mein Recht durchsetzen, ließ ihn aber dann doch vor.
Etwas hatte mich an diesem Mann erschreckt. Nie zuvor hatte ich rote Pupillen gesehen. Dieser Kontrast - weiße Haut und rote Pupillen - das war zu viel für mich. Er sollte sich ruhig vordrängen. Ich lies ihn.
Wir fanden im Zug kaum Platz und saßen oft im Zwischenraum. Durch die offenen Türen ließen wir unsere Beine hinaus baumeln und lauschten dem Rattern des Zuges.
Ich nutzte die Zeit und dachte über mein Leben nach. Aber es kam nicht viel dabei heraus, hauptsächlich kreisten meine Gedanken um das Heimweh. In meinen Gedanken war ich schon zu Hause. Das hatte ich auch schon in Goa erlebt. 10.000 KM trennten mich von einem gedeckten Tisch. Nie hätte ich es mir träumen lassen, solche Banalitäten zu vermissen. Unglaublich, welche Bedeutung unbedeutenden Kleinigkeiten zukommen kann.
 
Einem mitreisenden Inder, der fror, gaben wir unsere rot-karierte Decke. Für die Inder kam nun der Winter, aber für uns war es noch heiß. Um ganz ehrlich zu sein, hatten wir ihm die Decke nicht nur aus Menschenfreundlichkeit gegeben, sondern als Vorsichtsmaßnahme, weil er uns beobachtet hatte, als ob er abchecken wollte, was er von uns ergattern konnte.
Fairerweise muss ich zugeben, dass wir auf der gesamten Reise nicht ein einziges Mal bestohlen wurden - bis auf die Säue in Goa, die unsere Marmelade ausschleckten.
Unterwegs kauften wir auf den Bahnhöfen Tee, der in kleinen Tontassen verkauft wurde, die man schnell austrinken musste, weil der Ton nicht lange genug gebrannt war und somit der Tee den Ton aufweichen würde. Anschließend warf man die Tassen einfach aus dem Fenster, Erde zu Erde.
Auf der Bahnhofstreppe in Delhi kratzte ein Kind mit einem Blechbecher Brot von den Stufen der Treppe, während wir alle, wie eine Lawine, uns die Treppe hinauf wälzten. Die Not war unbeschreiblich und der Anblick kaum zu ertragen.
Gewohnheitsmäßig gingen wir zur Post und zu unserer Überraschung gab es einen Brief von Sarah's Schwester. Wir erfuhren, dass sie mit ihrem Freund in diesem Sommer ebenfalls unterwegs war - irgendwo in Europa. Sie äußerte den Wunsch, dass wir mit ihr und ihrem Freund zusammenleben sollten. Sie sei auch gewillt zu arbeiten, um unseren Unterhalt zu sichern. Ich war zutiefst gerührt. Hatte mich die Abfuhr unseres Freundes Peter deprimiert, so leuchtete diese Aussicht wie eine Fackel in der Dunkelheit.
Um die ganze Tragweite unserer Enttäuschung zu verstehen, muss man die Zeit zurückdrehen.
Peter war nicht irgend ein Freund. Wir hatten damals alles geteilt. Wir hatten alle drei zusammen in Freiburg in einem großen Zimmer gewohnt, das meine Mutter bezahlte; in der Wohnung waren noch andere Freaks einquartiert. Einer behauptete, dass man das Gehirnwasser ablassen müsse, dann würde man viel besser und klarer denken können. Ein anderes Zimmer wurde von 2 Italienern bewohnt, die an der Wand ein riesen großes Fell hängen hatten, das aber von uns an einem schönen Tag gestohlen wurde und zu Taschen umgenäht wurde (zu sehen auf dem Foto links; die Tasche hängt über meiner Schulter!). Einmal, bei einer Polizeirazzia, hatte Sarah eine Haschischplatte, die Peter gehörte, an ihrem Körper versteckt, sogar als sie zur Polizeistation mitgenommen worden war, wo sie glücklicherweise nicht körperlich durchsucht worden war.
 
Ja, er war einmal ein Freund. Nun hatte er unsere Freundschaft wegen Geld „verraten".
Und nun - wir standen auf einer Verkehrsinsel vor der Post im Verkehrsgewühl in Delhi (und da war es wirklich laut, kein Ort für besinnliche Stunden!) - weit weg von allem Vertrauten, fühlten ich mich mit einem Mal geborgen. 
 
Mit dem Zug waren wir von Delhi bis Lahore in Pakistan gekommen, nun wollten wir wieder trampen. Wir standen an einer staubigen Straße und hatten kaum noch Hoffnung auf ein Weiterkommen. Kinder rannten vorbeigetriebenen Büffelherden hinterher und stritten sich um den Kot, den sie aufsammelten.
Irgendwann nahmen uns junge Pakistanis mit, die von Deutschland schwärmten. In der Nacht kamen wir in Rawalpindi an und schliefen dort in einem gepflegten Park.
Am darauf folgenden Tag nahm uns ein Pakistani in einem amerikanischen „Schlitten" mit. Er nahm uns mit zu sich nach Hause und war ganz davon angetan, dass wir Parapsychologie studierten (was ja eine Lüge war!). Daraufhin wollte er uns mit einem ihm bekannten Professor zusammenbringen, der an der Universität seiner Stadt dieses Fach lehrte. Zum Glück hatte die Uni gerade geschlossen.
Wir blieben einige Tage und bekamen einen guten Einblick in die Lebensweise dieser Familie. In der Küche, die über eine offene Feuerstelle verfügte, lebte eine Frau, die mindestens so schwarz verrußt war, wie die Küche.
Als ich mir die Stadt von oben, auf dem Dach des Gastgebers stehend, ansah, gab es Probleme mit den Nachbarn, die mich für einen Spanner hielten, der ihre Frauen beobachten wollte.
Der freundliche Pakistani lieferte uns noch mit seinem Benzinfresser bei einer guten Trampstelle außerhalb von Peschawa nahe der afghanischen Grenze ab. Wir kamen am selben Tag noch bis zur Grenze. Ein Streifen Niemandsland am Kyberpass trennt die beiden Länder.
Da wir nicht weiterkamen, ließen uns die Zöllner im pakistanischen Zollhaus übernachten. Die Bergbewohner, die in Decken eingehüllt herumstanden, kamen sehr nahe an Sarahs Gesicht heran, um sie genauer anzuschauen. Am liebsten wollte Sarah sich ebenfalls verhüllen.
Am nächsten Morgen nahm uns ein Tourist noch bis zur afghanischen Grenze mit. Dann ging nichts mehr.
 
Vor dem Zollhaus stand ein öffentlicher Bus, aber wir hatten kein passendes, afghanisches Geld. Ehe wir uns darüber klar wurden, was wir tun könnten, kam ein Fremder auf uns zu und ließ uns wissen, dass er die Busfahrt für uns bezahlt habe. Zu unserer Freude brachte uns der Bus etwa 100 km weiter.
In der Stadt, in der wir ausgestiegen waren, wollten wir etwas zu Essen kaufen. Doch man warnte uns, denn es war gerade Ramadan, der muslimische Fastenmonat. Niemand durfte etwas auf der Straße, in der Öffentlichkeit essen. Erst nach Sonnenuntergang durfte man wieder essen. Deshalb gingen wir in ein kleines Kaffeehaus, tranken Tee und aßen ein paar Cookies.
Ein Mercedesfahrer nahm uns mit bis Kabul und lud uns zu sich ein. Es war ihm eine Ehre. Unser Pech war nur, dass die Moslems während des Ramadan den ganzen Tag über nichts essen und dafür abends alles 'rein hauen', was zwischen den Zähnen durchpasst und im Magen Unterschlupf findet; eine sehr ungesunde Art zu fasten! Es gab einen Berg Reis, der im Fett zu ertrinken drohte. Mein Magen gab auf und spülte alles in flüssiger Form wieder aus. Dieser Zustand hielt weiter an und als wir nach 2 Tagen weiterfahren wollten, testete ich die „öffentliche" Toilette, den Straßenrand. Während ich dort hockte, verbarg mein langes Hemd jegliche Einsicht in intime Bereiche. Im übrigen war das hier so üblich. Die Randstreifen der Nebenstraße waren jedenfalls übersät mit Menschenfäkalien. Hätte ich keine Hauptstraße dafür benutzen dürfen? Oder warum wurde ich dabei so angestarrt?
Ein Angestellter der Wetterstation außerhalb von Kabul nahm uns mit und bot uns an, in der Wetterstation zu übernachten. Kränklich wie ich noch war, nahm ich dankbar an. Ich lag mit drei weiteren Männern auf dem Fußboden, Sarah lag auf dem Sofa, das im selben Raum stand. Mitten in der Nacht weckte mich Sarah, als sie merkte, dass sich einer der Männer zu ihr schlich. Er wollte wohl über das Fußende in ihren Schlafsack gelangen. Ich weckte alle und erklärte ihnen die Situation und unsere Absicht, die Station sofort zu verlassen. Obwohl sie natürlich jegliche Absichten abstritten und es draußen sternenklar und eiskalt war, blieb unser Entschluss fest.
Wie ein Silberstreifen zog sich draussen die Straße über die Hügel. Für den Fall, dass uns jemand nachschleichen würde, wollten wir sie austricksen, indem wir in Richtung Kabul, also zurück, gingen, da sie sicher glauben würden, wir wären weiter in Richtung Kandahar gegangen.
Wir stellten unser schweres Baumwoll-Zelt auf, das wir ja nun wieder mit uns schleppten, aber ich musste wegen meines Durchfalls des öfteren in die klirrende Kälte.
Die aufgehende Sonne taute uns am Morgen langsam auf. Wir standen auf einer Straße, die auf der einen Seite dem Nirgendwo zu entspringen schien und gegenüber in einem anderen verschwand. Da tauchte am Horizont eine Windhose auf. Eine riesige Staubwolke wirbelte an uns vorbei und erfüllte die Luft mit feinem Sand. Das hatte ich bis dahin zum ersten Mal gesehen.
Über diese leere Strasse "wackelte" ein Bus heran. Gegen Geld nahm uns der Linien-Bus weiter mit, in dem wir uns Läuse einhandelten. Vor uns saß nämlich ein Mann, der diese unter seinem Turban auf seiner rasierten Glatze beherbergte. Er kratze sich ständig und warf seinen verlausten Umhang so schwungvoll um, dass wir miteingehüllt wurden. Das genügte offenbar, so dass wir 'Ableger' mit nach Deutschland nahmen.
Wir kamen nach Kandahar. Dort kauften wir Fladenbrote und stiegen in einen anderen Bus, der uns bis nach Herat, der letzten Stadt vor der persischen Grenze brachte. Hätte man Wetten abschließen können, dass der Bus das Fahrziel erreichen würde, ohne vorher die Grätsche zu machen, ich hätte keinen Euro darauf gesetzt. Das Dach zitterte und schwankte bedenklich, weil die Scheiben, die zur Stabilität einen entscheidenden Beitrag leisten, glänzten durch Abwesenheit.
Wegen des Ramadan hielt der Bus nach Sonnenuntergang bei jeder Kneipe, damit die Fahrgäste endlich essen konnten. In den Kneipen standen nicht nur Spucknäpfe, besser: Spuck-Eimer! Sie wurden auch tatsächlich benutzt. Man spuckte über mehrere Meter!
Gegen Morgen kamen wir in Herat an und gingen in das Hotel, in dem wir vor zwei Monaten auf der Hinreise untergekommen waren. Inzwischen hatte die Inflation zugeschlagen und den Preis verdoppelt.
 
Ein Bus brachte uns zur persischen Grenze. Dort bestiegen wir einen anderen, der uns in der Nacht bis Teheran fuhr. Dort schliefen wir in einem Hotel noch ein paar Stunden.
Es wurde schon herbstlich, denn die Blätter hatten sich bereits gefärbt.
Im Hauptbahnhof von Teheran erkundigten wir uns nach einem Zug nach Istanbul, aber der fuhr erst am nächsten Tag. Da wir keine Ahnung hatten, wo wir schlafen sollten, fragten wir Polizisten, die am Bahnhof standen, ob sie uns helfen könnten. Sie waren sehr hilfsbereit und brachten uns in einer Turnhalle unter. Der Schuldirektor legte uns zwei Matratzen aus und ließ uns übernachten.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Zug am Vansee vorbei und erreichten Istanbul.
Dort suchten wir das deutsche Konsulat auf, wo man uns auf den nächsten Tag vertröstete. Am nächsten Tag also gingen wir wieder zur deutschen Botschaft. Doch nun mussten wir zu einem anderen Botschaftsangestellter, als dem, den wir am Vortag antrafen. Dieser wollte uns kein Geld für die Heimreise geben. Klar, wenn die Botschafter in Indien schon kein Geld gaben, weil sie schlechte Erfahrungen mit Hippies gemacht hatten, wie viel mehr diese Botschaft hier. Der Botschaftsangestellter vom Vortag war erst neu in Istanbul; er kam irgendwo aus dem arabischen Teil der Erde.
Niedergeschlagen trafen wir auf dem Flur den Botschaftsangestellten, der uns am Vortag auf heute vertröstet hatte. Als er uns so niedergeschlagen sah, fragte er: "Kinder, was ist los?" Wir sagten ihm, dass wir kein Geld für die Heimreise bekämen. Er forderte uns auf, im Flur zu warten und ging hinein zu unserem Sachbearbeiter. Nach zwei Minuten schickte er uns freudestrahlend wieder hinein und wir erhielten ein Zugticket nach München und noch etwas Bargeld, um uns zu verpflegen. Da wir mit unserem Geld wirklich am Ende gewesen waren, freuten wir uns riesig. Um 17 Uhr sollten wir den Zug besteigen. Bis dahin drückten wir uns noch in Istanbul herum, das uns merkwürdig vertraut wie eine deutsche Stadt vorkam. Wir kauften ein, holten unsere Rucksäcke aus der Absteige nahe dem bekannten „Pudding Shop", eilten zum Bahnhof und bestiegen den Zug, der Verspätung hatte.
Die Fahrt gestaltete sich unterhaltsamer, als uns lieb war, denn wir mussten Jagd auf die Läuse machen, die wir uns in Afghanistan eingefangen hatten. Gar nicht so einfach in der engen Toilette bei dem schaukelnden Zug.
Je näher wir nach Deutschland kamen, um so mehr Hippies stiegen zu, die alle etwas gemeinsam hatten: alle redeten vom Essen, das sie in Deutschland genießen würden.
 
Am Ziel empfing uns ein verschneites München. Es war schon spät am Nachmittag. Gegenüber dem Hauptbahnhof zog es uns sofort in das Kaufhaus Hertie, wo wir Milch und etwas frisches kaufen wollten. Aber eine Bedienstete lies uns sofort erkennen, dass wir in Deutschland waren: „Gehen Sie aus dem Weg mit ihren Rucksäcken!" Ja, ja, weg hier! Kein Zweifel, wir waren wieder in Deutschland.
Wir erstanden in einer Apotheke noch ein Mittel gegen Läuse und trampten dann auf der Autobahn nach Riegel, wo unsere lange Reise begonnen hatte.
Wie schon so oft kamen wir wieder einmal mitten in der Nacht bei meiner Mutter in Riegel an und fielen erschöpft, aber erleichtert in die sauberen Betten. Meine Mutter war sicher heil froh, dass wir so gesund zurück waren. Auch mussten wir das Geld, das wir auf dem Konsulat in Istanbul bekommen hatten, nicht zurückzahlen. Warum weiß ich auch nicht.
Nachdem wir etliche Tage bei meiner Mutter wohnte und ich das Abendbrot genossen hatte, Käsebrote mit Schwarztee, zogen wir zu Sarah's Schwester. Sie wohnte mit ihrem Freund, mit dem sie in Europa herumreiste, in Littenweiler/Freiburg.
 
 
Wenn ich daran denke, was uns bewog, diese lange Reise zu unternehmen, dann waren alle Illusionen dahin. Nun waren wir wieder in Deutschland und ich hatte keine Vision mehr für mein Leben. Und trotzdem, seit Sarah eine Stimme in Goa vernommen hatte: „JESUS IST DER SOHN GOTTES!" und dies in ihr wie ein Echo immer widerhallte, hatte sich etwas grundlegendes in mir verändert: ich wurde "fromm" - und merkte doch so deutlich, dass ich mich damit belog.
In Indien hatten wir Spiritualität, Frieden und Liebe gesucht, aber nur Enttäuschung gefunden. In erster Linie war es die Enttäuschung durch Peter, der uns im Stich gelassen hatte und zum zweiten die enttäuschende indische Religionswelt. Diese Enttäuschungen erwiesen sich im Nachhinein als grundlegend wichtig, um meinen Stolz (etwas) zum Schweigen zu bringen, der die Suche nach Frieden und der Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens mit antichristlicher Absicht um das rettende Angebot Gottes in Gestalt von Jesus herum in die Irre leitete. Der Hunger nach Leben hatte uns in die Arme von stummen und toten Götzen getrieben, die nicht helfen wollen und auch nicht helfen können. Götzen sind in der Regel "egoistische" Wesen, denen man zu gefallen hat, oder es geht einem schlecht.
Doch jetzt, nach der 'Ent-Täuschung' (die Täuschung hat ein Ende!), kaufte ich mir ein Neues Testament. Ich weiß noch wie ich mich komisch fühlte, als ich in der Bücherei nach einer Bibel verlangte. Ich merkte so deutlich, wie ich mich schämte und gar nichts über die Bibel wußte. Und was noch schlimmer war: ich spürte, dass ich gar nicht wirklich 'glauben' konnte! Denn mein neuer Glauber an den christlichen Gott war verwachsen mit der katholischen Institution! Und das war für mich nicht möglich, vorbehaltlos anzunehmen. Der katholische, christliche Gott war wie eine Parallelwelt.
Auch von Indien hatte ich mich noch nicht gänzlich verabschiedet. Neben der Bibel las ich auch noch ein Buch über Hartha-Yoga, woraus ich meine täglichen Übungen ableitete.
Einerseits verstand ich mich nun wieder als katholischen Christen, andererseits meinte ich, nicht so naiv sein zu dürfen, alles zu glauben, was uns die Kirche nahe legte.
Zum Neuen Testament fand ich keinen rechten Zugang; irgendwie verstand ich nicht, wie ich die Lehre in der täglichen Praxis würde nutzen können. Ich las z.B. im Römerbrief, Kapitel 11, Verse 16 - 24, Gleichnisse über Teig, Wurzeln, Zweigen und Ölbaum. Ich meinte einem Geheimnis auf die Spur kommen zu müssen, weil ich es liebte, bei anderen mit Wissen und außergewöhnlicher Konversation zu glänzen. Aber eigentlich erschien mir der Text simpel und ungebildet. Was nicht heißt, dass ich die Bibel verachtete. Denn auf der anderen Seite hielt ich die Bibel sehr hoch, sie war sehr heilig, so heilig, dass ich verstand, dass ich sie niemals verstehen würde - und auch nicht brauchte.
Doch im praktischen Alltag war nichts von meiner philosophischen Spiritualität zu erkennen. Anderen freundlich zu begegnen fiel mir schwer. Nicht einmal mit Sigi, dem Freund von Sarah's Schwester kam ich gut aus. Meine Sticheleien setzten ihm so sehr zu, dass er bereits davon träumte.
Irgendwie passten das Neue Testament, meine „weisen" Sprüche und meine Yogaübungen nicht mit meinem realen Leben zusammen. Ich fand keine Hilfe für mein praktisches, tägliches Leben, mit dem ich nicht zurecht kam.
 
 
 
 
Hier war Sarah und ich1970 in Basel. Die Tasche um meine Schulter hatte Sarah aus dem Fell genäht, das bei den 2 Italienern an der Wand hing, ein Kuhfell.
Willkommen Mein Weg Mein Standpunkt nach Indien und zurück Bekehrt - und dann?! mein Buch (Rö 1-4) Römer 5-8 Römer 9-12